Der Mann, der niemals lebte
sich die Unterlagen des syrischen Netzbetreibers kommen lassen und herausfinden, wer die entsprechende SIM-Karte zu dieser Nummer erworben hatte, aber Hoffman war sich sicher, dass sie den Sender auf diese Weise auch nicht identifizieren würden. Diese Telefonnummer war wie ein Einmalhandschuh: Sie wurde benutzt und anschließend weggeworfen. Hoffman überlegte lange, was er tun sollte, und kam schließlich zu dem Schluss, dass er, was die Operation betraf, eigentlich keine Wahl hatte. Also rief er Ferris an und las ihm die SMS vor.
Amman/Damaskus
Als Hoffman ihm die Mitteilung vorlas, dachte Ferris nur eines: Alice lebt! Die Leute, die sie gefangen hielten, wussten von ihrer Verbindung zu ihm. Vielleicht wollten sie sie ja gegen ihn austauschen in der Hoffnung, dass er ihnen als CIA-Agent mehr Informationen liefern konnte. Bestimmt hatten sie inzwischen herausgefunden, dass Alice überhaupt nichts wusste, und wollten sie nun als Köder benutzen. Um Alice zu retten, musste jemand anderer ihren Platz einnehmen. Ferris hatte sich die Nummer notiert, und nun starrte er auf das Blatt. Obwohl es in seinem Büro nicht besonders warm war, schwitzte er.
»Sie lebt«, murmelte Ferris.
»Vermutlich«, erwiderte Hoffman am anderen Ende der Leitung. »Das ist die gute Nachricht.«
»Und was ist die schlechte?«
»Dass die Jungs von der al-Qaida über Sie Bescheid wissen. Sie wissen, dass Sie für die CIA arbeiten, sonst hätten sie die SMS nicht über Süleymans Handy geschickt, von dem sie wissen, dass wir es haben. Das sagt uns zweierlei: Erstens, dass die Leute, die Alice haben, im Netzwerk sehr weit oben angesiedelt sind, vermutlich ganz in der Nähe von Süleyman. Und zweitens, dass sie von »Miss Alice› genug erfahren haben, um zu wissen, dass sie mit Ihnen liiert ist. Was wiederum bedeutet, dass sie sie verhört haben.«
Ferris fröstelte am ganzen Körper, als er im Geiste alle möglichen Szenarien durchging, von denen eines düsterer war als das andere.
»Ich muss diese Nummer anrufen«, sagte Ferris. »Ich muss mit Alice reden.«
»Ja, das sehe ich genauso. Sie sollten diese Nummer anrufen. Zunächst hielt ich das für keine so gute Idee, denn die SMS ist ohne Zweifel ein Trick, um Sie zu ködern. Aber dann dachte ich: Na und? Wir können nur die Karten ausspielen, die wir in der Hand haben. Aber erst müssen noch ein paar technische Dinge vorbereitet werden. Für Sie ist das vielleicht die einzige Gelegenheit, mit Alice zu sprechen, aber für die CIA ist es die Chance, eine direkte Verbindung zu Süleyman zu kriegen. Eine bessere Gelegenheit bekommen wir sicher nicht mehr, also müssen wir sie optimal nutzen.«
»Was bedeutet das, ‹sie optimal zu nutzen)? Mir geht es um Alice, um sonst gar nichts.«
»Das ist mir klar. Und wenn ich in Ihrer Haut stecken würde, würde es mir genauso gehen. Trotzdem hängt von diesem Telefonat noch viel mehr ab als die Sicherheit Ihrer Freundin. Unsere kleine Scharade läuft nämlich ganz hervorragend, auch wenn Ihnen das momentan nicht so wichtig sein mag – wofür ich, wie gesagt, volles Verständnis habe. Süleymans Leute sind verunsichert und wissen nicht, was los ist. Deshalb haben sie sich Sadiki geschnappt und jetzt auch Alice. Und aus diesem Grund schicken sie uns diese seltsame SMS. Die Typen wissen nicht mehr, wo vorn und wo hinten ist. Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir sie im Sack.«
»Das ist mir inzwischen egal. Ich will nur Alice retten. Wenn wir warten, bringen sie sie vielleicht um. Bitte, lassen Sie mich einfach diesen Anruf machen.« Ferris wartete auf Hoffmans Zustimmung, die jedoch ausblieb. »Mein Gott, verstehen Sie das denn nicht? Ich bin derjenige, der sie in diesen Albtraum hineingezogen hat.«
»Beruhigen Sie sich, Roger. Wir tun alles, um Ihre Alice zu retten, nur eines tun wir nicht: die Operation gefährden. Ich kann verstehen, dass Sie sich mies fühlen, weil Sie Alice in Gefahr gebracht haben. Und das sollten Sie auch. Sie hätten mir nämlich sagen müssen, dass Sie mit einer Frau etwas haben, die Omar Sadiki kennt. Nur weil Sie das versäumt haben, ist Ihre Freundin jetzt in Lebensgefahr, und unsere Operation droht zu scheitern. Aber es hilft überhaupt nichts, wenn wir jetzt in blinden Aktionismus verfallen. Hier geht es um Leben und Tod, und zwar nicht nur für Ihre Freundin, sondern für Millionen unschuldiger Menschen. Unser Land befindet sich im Krieg. Haben wir uns verstanden?«
Ferris schwirrte der
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