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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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des jordanischen Geheimdienstes umarmte Ferris, küsste ihn auf die Wangen und dann noch einmal auf die Stirn. Es war offensichtlich, dass der junge Amerikaner einen tiefen Schmerz empfand, der sich nur dadurch würde lindern lassen, dass Alice gefunden wurde. Hani versuchte, das eigentliche Gespräch zu verzögern, vielleicht aus einem Höflichkeitsreflex heraus, vielleicht auch aus Mitgefühl und Sympathie für Ferris, der mit einer flehentlichen Geste seine Hand ergriff. Er war jetzt völlig auf Hanis Hilfe angewiesen.
    »Sagen Sie mir, was Sie herausgefunden haben, egal, wie schlimm es ist.«
    »Wir haben einen unserer Kontaktleute innerhalb des Netzwerks erreicht. Er sitzt in Syrien, ist aber mit den Operationen in Jordanien vertraut.«
    »Und was sagt dieser Kontaktmann?« In Ferris’ Stimme schwang leise Hoffnung mit. Obwohl er sich für das Schlimmste gewappnet hatte, hoffte er doch immer noch auf gute Nachrichten.
    »Er hat es bestätigt. In Amman wurde eine Amerikanerin entführt. Es ist genau so, wie Sie vermutet haben. Sie haben sie schon seit einiger Zeit beobachtet und wollten herausfinden, in was für einem Verhältnis sie zu Omar Sadiki steht. Sadiki ist ihnen ein Rätsel. Diese Sache ist ihnen also sehr wichtig. Sie haben Alice gestern Vormittag entführt und im Kofferraum eines Wagens aus der Stadt gebracht. Offenbar handelt sich um eine Operation, die von höchster Ebene angeordnet wurde. Anscheinend will jemand, der auf der Hierarchieleiter recht weit oben steht, Informationen von ihr haben – was im Grunde eine gute Nachricht ist.«
    »Wieso?« Ferris sah ihn verzweifelt an.
    »Weil die hohen Tiere in der al-Qaida weniger brutal vorgehen als die kleinen Fische. Das sind keine Schlägertypen. Sie wollen Informationen, sonst nichts. Sie werden ihr nicht grundlos wehtun. Beruhigen Sie sich also ein wenig, mein Freund. Es wird alles gut.«
    Ferris trocknete sich mit dem Ärmel die Augen. Er schämte sich für seine Tränen. »Wo ist sie?«, fragte er. »Wissen Sie das?«
    »Leider nicht. Unser Kontaktmann wollte uns diese Frage nicht beantworten, und ich vermute, er weiß es selbst nicht genau. Als wir ihn unter Druck gesetzt haben, sagte er, sie sei vermutlich in Syrien. Ich nehme an, sie wurde letzte Nacht während des Sandsturms über die Grenze gebracht. In Jordanien konnten sie nicht mit ihr bleiben, das wäre zu gefährlich gewesen. Ich denke, sie haben sie nach Syrien gebracht, um dort mit ihr zu reden.«
    »Und was werden sie danach mit ihr machen?«
    Hani beugte sich zu Ferris und sagte mit sanfter, beruhigender Stimme: »Sie werden sie wieder freilassen. Sobald ihnen klar wird, dass sie ihnen nicht die Informationen geben kann, die sie haben wollen, werden sie sie gehen lassen und versuchen, die Informationen auf anderem Wege zu bekommen. Diese Leute sind zwar Killer, aber sie sind nicht dumm. Das zumindest wissen wir inzwischen.«
    »Was kann ich tun?«, fragte Ferris. Seine eigene Ohnmacht belastete ihn am meisten. Er empfand dasselbe wie der Vater eines todkranken Kindes: Warum kann ich nicht an ihrer Stelle sein? Nehmt mich. Lasst mich für sie leiden. Warum soll eine Unschuldige für etwas bezahlen müssen, was sie aus tiefster Seele ablehnen würde, wenn sie davon wüsste?
    Hani sah ihn mit wissendem Blick an. Er hätte ihn gern beruhigt, doch er konnte es nicht. »Sie können gar nichts tun, mein Sohn. Nur warten.«
     
    »Süleymans Nokia«: So hatte der Leiter des CIA-Büros in Wien das Handy getauft, das durch die österreichische Polizei sichergestellt worden war. Der Chef des österreichischen Geheimdienstes hatte es dem Büroleiter übergeben, und der hatte es mit dem nächsten Flug nach Langley bringen lassen. Hoffmans Techniker hatten es bis ins letzte Detail untersucht, dabei aber nichts Brauchbares gefunden. Wie sich herausstellte, war die SIM-Karte nur für den einen einzigen Anruf verwendet worden. Trotzdem ließ Hoffman das Handy eingeschaltet am Ladegerät hängen, damit es immer funktionsfähig blieb. Für alle Fälle.
    Am 4. Januar klingelte »Süleymans Nokia«, ein einziges Mal. Es war kein Anruf, sondern eine SMS. Als Hoffman sie auf dem Display hatte, war er zuerst verblüfft und verzog dann angewidert das Gesicht, als wäre übel riechendes Abwasser durch das Handy in sein Büro gedrungen. In der SMS stand: »Mr. Ferris, bitte rufen Sie Miss Alice an unter 963-5555-8771.« Es war eine syrische Handynummer. Die NSA und vielleicht sogar die CIA selbst konnten

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