Der Mann, der niemals lebte
aber jetzt bin ich es nicht mehr.«
»Aber wie wollen Sie denn mit den Entführern Kontakt aufnehmen? Die al-Qaida steht nicht im Telefonbuch. So leicht findet man sie nicht. Selbst ich hätte da meine liebe Mühe.«
»Die al-Qaida hat mit uns Kontakt aufgenommen. Sie hat eine SMS geschickt, in der steht, dass ich eine Handynummer in Syrien anrufen soll. Hoffman möchte, dass ich damit warte, weil er ihnen erst eine Falle stellen will. Aber solche Spielchen taugen nichts, das wissen Sie besser als ich. Damit trickst man am Ende nur sich selber aus.«
»Aber das kann sehr gefährlich für Sie werden, Roger. Sie kennen zu viele Geheimnisse, die die Gegenseite erfahren will. Und Sie wissen ja, wozu diese Leute fähig sind.«
Ferris klopfte auf seine Jackentasche, in der sich der Plastikbehälter mit der vergifteten Zahnschiene befand. Er trug sie nun schon mehrere Monate bei sich, hatte aber nie gedacht, dass er sie vielleicht wirklich einmal brauchen würde.
»Damit werde ich fertig. Es ist die einzige Möglichkeit, Alice zu befreien. Sie werden sie nur freilassen, wenn ich mich an ihrer Stelle als Geisel anbiete. Das ist offensichtlich, finden Sie nicht? Hoffman wird mir das niemals erlauben, und das bedeutet, dass Alice sterben muss. Ich muss also auf eigene Faust handeln, ich habe keine andere Wahl. Ich muss es einfach tun. Nur so bleibt eine Chance, Alice zu retten.«
Hani schwieg. Er war nicht der Typ, der einem das Blaue vom Himmel herunter versprach. Ferris ergriff beide Hände des Jordaniers und drückte sie fest. Er wäre auch niedergekniet und hätte sie geküsst, wenn er geglaubt hätte, dass das etwas nützen würde.
»Bitte, helfen Sie mir«, sagte er.
Hani sah ihn an und lächelte. Es war ein zartes, ausweichendes Lächeln, das Ferris nicht recht deuten konnte, aber es war immerhin ein Lächeln.
»Aber ja, mein Lieber. Natürlich helfe ich Ihnen. Sie sind ein mutiger Mann, der sich selbst aufgibt, um die Frau zu retten, die er liebt. Wer kann da schon nein sagen?«
Hani handelte rasch. Einer seiner Leute fuhr Ferris’ Wagen zur Zahran-Straße und stellte ihn in der Nähe des Four Seasons ab. Wenn man ihn auf der Suche nach Ferris dort entdeckte, würde man zuerst das Hotel durchsuchen und damit wertvolle Zeit vergeuden. Hani selbst tätigte ein paar Telefonate und hatte ein Gespräch unter vier Augen mit seinem Stellvertreter, bevor er mit Ferris hinunter in die Tiefgarage ging. Dort setzte er sich mit dem Amerikaner auf die Rückbank seines großen BMW und zog die Vorhänge vor den Fenstern zu. In einem Land, in dem niemand die Autorität des Geheimdienstes in Frage stellte, waren sie damit praktisch unsichtbar. Ferris klopfte noch einmal auf die Seitentasche seiner Jacke, um sicherzugehen, dass der Behälter mit der Zahnschiene noch da war.
Sie verließen Amman und fuhren nach Norden in Richtung syrische Grenze. Als sie auf der Schnellstraße waren, öffnete Hani die Vorhänge wieder, um aus dem Fenster schauen zu können, aber Ferris ließ die auf seiner Seite geschlossen. Sie vermieden die neue vierspurige Autobahn und nahmen stattdessen den alten Highway 15, der mehrere Kilometer weiter westlich bei Deraa die Grenze erreichte. Während die schwere Limousine immer weiter nach Norden rollte, erklärte Hani Ferris seinen Plan, und Ferris stellte ihm ein paar Fragen, um sicherzugehen, dass er auch wirklich alles verstanden hatte. Einmal klingelte Ferris’ Handy, und sein Stellvertreter war dran. Ferris sagte ihm mit müder Stimme, er versuche zu schlafen und werde erst am nächsten Morgen wieder ins Büro kommen.
Kurz bevor sie die jordanische Grenzstadt Ramtha erreichten, ließ Hani den Fahrer auf eine schmale Nebenstraße abbiegen, die parallel zur Grenze verlief. In einem kleinen Ort namens Shajara, der keine zwei Kilometer von der Grenze entfernt war, nahmen sie eine holprige Schotterstraße, die zu mehreren kleinen Gebäuden aus Betonziegeln mit wahren Wäldern von Antennen auf den Dächern führte. Am Ende der Straße stand ein verrostetes Mercedes-Taxi mit syrischem Nummernschild. Hani führte Ferris in eines der Häuser, wo mehrere Geheimdienstoffiziere in Zivil ihren Chef bereits erwarteten. Sie küssten ihn auf die Wange und boten ihm Tee und Gebäck an, was Hani jedoch mit einer knappen Handbewegung ablehnte. Er führte Ferris in ein leeres Zimmer im ersten Stock hinauf und schloss die Tür.
»Jetzt wäre genau der richtige Moment für Ihren Telefonanruf«, sagte
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