Der Mann, der niemals lebte
Mailand und Frankfurt aussagen muss. Wegen ‹Geheimdienstversagens›. Jetzt soll ich ihm seine Stellungnahme schreiben. Ich hätte ja wirklich Mitleid mit ihm, wenn er nicht so verdammt beschränkt wäre.«
»‹Ein großes Reich und kleine Geister passen schlecht zueinander«), sagte Azhar. »Das wusste schon Edmund Burke, wenn mich nicht alles täuscht.«
»So, Schluss mit lustig, Amigos. Ich muss bald wieder drüben sein, deshalb sollten wir zusehen, dass wir hier zu einem Ende kommen. Also, Roger, willkommen bei Operation Taqiyya für Fortgeschrittene. Sami und ich haben in den letzten Tagen Ihre Idee etwas ausgebaut, um Ihren Mann, den es nie gab, unseren Mr. Harry Meeker, in ein plausibles Umfeld einzubetten. Und ich denke, wir haben dabei keine schlechte Arbeit geleistet. Das wird dem Feind das Messer so richtig tief reintreiben.« Er signalisierte Azhar, den Computer wieder aufzuwecken.
»Na los, Sami, zeigen Sie uns das Sadiki-Foto.« Azhar bewegte die Maus, und auf der Leinwand erschien ein neues Bild. Es zeigte einen Araber Ende dreißig im Geschäftsanzug, der einen gepflegten Bart trug und aussah, als würde er Fasten und Beten äußerst ernst nehmen.
»Das ist Omar Sadiki, ein jordanischer Architekt aus Maan im Süden des Landes, einer sehr religiösen und konservativen Stadt. Inzwischen wohnt er in Amman und arbeitet für eine große Architekturfirma, die sich auf islamische Sakralbauten spezialisiert hat. Er ist ein frommer Muslim und engagiert sich in diversen Wohltätigkeitsorganisationen, die von den Saudis gesponsert werden. Seit zehn Jahren fährt er regelmäßig zum Freitagsgebet nach Zarqa im Norden von Amman. Mehrere Mitglieder seiner Korangruppe dort sind bereits verschwunden – wir vermuten, dass sie in den Untergrund gegangen sind. Und wir glauben, dass auch Omar als junger Mann angesprochen wurde, als Gotteskrieger nach Afghanistan zu gehen. Er hat sich aber entschlossen, in Jordanien zu bleiben und Architektur zu studieren. Die Leute in seiner Moschee vertrauen ihm, weil er niemanden bedrängt und sehr zurückhaltend ist. Ein paar Leute in Zarqa vermuten, dass er längst bei der al-Qaida ist, aber das entspricht nicht den Tatsachen. Er ist einfach nur ein kluger, entschlossener und sehr frommer Mann.«
»Sekunde!« Ferris hob die Hand. »Ich will ja nicht kleinlich klingen, aber wie kommt es, dass Sie so viel über diesen Omar Sadiki wissen und ich noch nie etwas von ihm gehört habe? Ich bin schließlich für die Operationen in Jordanien verantwortlich. Hat Hani Sie über ihn informiert? Oder gibt es da unten noch eine Zweigstelle der CIA, von der ich nichts weiß? Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?«
»Herrje, jetzt seien Sie mal nicht so engstirnig«, sagte Hoffman. »Hani hat keine Ahnung von Sadiki. Den Fehler, ihn irgendwo einzubeziehen, mache ich nicht noch einmal. Sadiki ist eins der Projekte unseres guten Doktor Azhar hier. Er hatte eigentlich vor, ihn als Fassade für ein muslimisches Architektur- und Bauunternehmen zu verwenden – damit wir irgendwann auch die Büros für die al-Qaida bauen können, wo wir doch schon ihre Reisen buchen und ihre Bankgeschäfte für sie erledigen.«
»Okay. Aber wo haben Sie ihn her?«
»Sagen wir einfach, Sami kennt die Familie.«
»Das heißt?«
»Das heißt, sein Bruder steht auf meiner Gehaltsliste«, mischte Azhar sich ein. »Er arbeitet in Dhahran für die UBS und macht noch ein paar kleine Geschäfte nebenbei. Natürlich weiß er nicht, dass er in Wirklichkeit für uns arbeitet. So etwas bezeichnet man als (Falsche Flagge), wenn ich mich nicht irre. Die saudi-arabischen Investoren aus meinem alten Hedgefonds sind alle zu ihm gegangen und haben ihn an ihre Freunde weiterempfohlen. Inzwischen waschen schon sehr viele ihr Geld bei ihm. So baue ich unser kleines Gegen-Netzwerk, das ich Ihnen vorhin gezeigt habe, immer weiter aus, über die Freunde von Freunden und die Verwandten von Verwandten. Der freundliche Herr Sadiki aus Saudi-Arabien hat uns von seinem frommen Bruder in Jordanien erzählt, und da wären wir nun.«
Ferris betrachtete das Foto auf der Leinwand, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. Genau wie Hoffman ein paar Tage zuvor sah jetzt er auf einmal alles ganz genau vor sich.
»Schon klar«, sagte er. »Dieser Sadiki ist Teil meiner taqiyya. Wir tun so, als gehörte er zu uns, obwohl das gar nicht so ist. Stimmt das in etwa?«
»Absolut.« Hoffman beugte sich vor und tätschelte Ferris die Wange. »Im
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