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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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gemerkt, dass sie mächtig Angst hat, weil sie was Verbotenes tut. Und sie merkt, dass ich’s gemerkt hab, und dann hat sie gefragt, wie lange ich da schon lausche, und ich konnt sie nich’ belügen, Tom, ich konnt deine Tante noch nie belügen.«
    Tom nickte, und ein trauriges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er hatte seine Tante zwar oft belogen, aber er war nur selten damit durchgekommen.
    Huck starrte in die Flammen. »Sie hat mich gefragt, ob ich weiß, was sie da macht, während die Lady in eurer Küche sich hastig die Röcke gerichtet hat und vom Tisch geklettert ist. Und ich hab Ja gesagt, weil ich ja nicht blöd bin und ihr auch nichts vormachen wollte. Und dann hat sie gemeint, das müsse unter uns bleiben und sie habe Arbeit für mich, wenn ich will, und ich könnt mir dabei was verdienen. Sie hat ’nen Sack genommen, ist zum Tisch gegangen und hat das …«
    Huck brach ab. Er stocherte mit einem Stöckchen im Feuer, dann warf er es hinein und sah zu Tom auf. »Sie hat das tote Kind hineingetan. Wobei das kein Kind war, Tom, das war immer ’ne Handvoll … Zeug, mehr nicht. Aber für sie war’s irgendwie wichtig, und für mich war’s das auch, nicht nur wegen dem Geld, auch sonst.
    Wär irgendwie falsch gewesen, sie nicht zu beerdigen. Sie gibt mir also den Sack in die Hand und drei Dollar dazu und will wissen, ob ich ’ne Idee hab, wo man es beerdigen könnte, wo’s bestimmt keiner findet. Und ich sag: ›Auf der Insel, wo ich mit Tom und Joe war, damals.‹ Und sie nickt und findet das gut und gibt mir dann ihren Anhänger vom heiligen Christophorus, weil der doch so ’n starker Mann war, der den kleinen Jesus übers Wasser gebracht hat. ›Jetzt bist du der starke Mann, der die Kinder übers Wasser bringt, Huck‹, hat Polly gesagt und mir noch ’ne Bibel mitgegeben, damit ich ’nen Satz oder zwei vorlesen kann, wenn ich ihnen das Grab gemacht hab. Kenn ja keine Gebete und kann kaum lesen, für viel hat’s nicht gereicht, aber so was wie: ›Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft‹, war schon noch drin. Beim ersten Mal war’s noch komisch, aber ich … hab mich irgendwie besser gefühlt, wie ich das gemacht hab. Und das Geld konnte ich auch brauchen.«
    Huck blickte schuldbewusst zu Tom, als erwarte er irgendeine Form der Absolution. Aber Tom sagte nichts. Also erzählte Huck einfach weiter. »Ich hab dann immer bei Polly vorbeigeschaut, wenn ich in St. Petersburg war. Wir wurden irgendwie so was wie … wie Geschäftspartner, und ein paarmal hab ich auch Schulden eingetrieben, wenn die Ladys, denen deine Tante geholfen hat, sich plötzlich nicht mehr an den ausgemachten Preis erinnern konnten. So war das auch bei Sally. Ich wollt sie nich’ vergewaltigen, Tom, das musst du mir glauben. Ich hab ihr beim Gemeindefest kaum gesagt, was ich will, da war sie schon an meiner Hose, und ich –«
    »Ich weiß. Ich hab mit ihr gesprochen. Sie hat’s mir erzählt«, unterbrach Tom ihn.
    Huck zog erstaunt die Augenbrauen hoch, dann nickte er, und seine Züge verdüsterten sich wieder. Er schüttelte den Kopf. »Ich … ich wollte das nicht, Tom. Ich wollte nicht, dass du es erfährst. Da im Schlachthaus. Ich wollte nicht, dass man in einem Prozess aus mir rauskriegt, warum ich bei deiner Tante gewesen bin. Mit ’nem blutigen Sack und Siddy, der mich rausrennen sieht und so … Aber einen Mord, den ich nich’ gemacht hab, wollte ich auch nich’ zugeben. Lieber wär ich tot umgefallen.«
    »Das hast du ja auch fast geschafft«, schmunzelte Tom, aber Huck blieb ernst.
    »Ich weiß, dass es verboten ist und wahrscheinlich auch eine schlimme Sünde. Aber ich glaube, Tante Polly wollte diesen Frauen nur helfen, weil sie in Not waren und nicht wussten, was sie tun sollten.«
    Tom hob die Hand. »Schon gut, Hucky. Ich … ich weiß nicht, was sie dazu gebracht hat, das zu tun, was sie getan hat. Vielleicht wollte sie helfen, vielleicht ging’s um das Geld, aber …« Tom schüttelte den Kopf, brach ab. Dann blickte er zu Boden. »Aber es ist mir auch egal. Sie hat getan, was sie getan hat, und jemand hat sie umgebracht, und ich weiß, dass du es nicht warst. Und ich will wissen, wer es dann war, und ich werde den Bastard kriegen!«
    »Ja, Tom, das wirst du. – Ich finde, wir sollten es wieder tun.«
    Verwirrt schüttelte Tom den Kopf. »Was tun?«
    »Na, den Eid schwören! Von damals, auf dem

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