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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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noch einmal reingekommen?«
    Joe blinzelte und sah ihn verständnislos an. »Warum sollte er das tun?«
    »Genau: Warum sollte er das tun? Merkst du was, Joe? Wenn der Sack schlaff war, dann hat Huck Tante Polly wohl kaum damit erschlagen. Und wenn er sonst keine Waffe in der Hand hatte, dann war vielleicht jemand vor ihm da und hat Tante Polly erschlagen, und Huck hat sie einfach nur gefunden, weil er zur falschen Zeit vorbeigekommen ist. Warum sollte er sie überhaupt umbringen? Was für einen Grund sollte es dafür geben? Hast du nachgesehen, ob irgendetwas fehlt, Siddy?«
    Sid schüttelte den Kopf. »Nein, warum?«
    Tom stöhnte auf. »Weil das ein Grund sein könnte, warum jemand Tante Polly erschlägt! Ein Dieb kommt rein, wird überrascht und tötet sein Opfer. Also: Fehlt etwas?«
    Sid blickte sich hilflos um und zuckte mit den Schultern. »Ich … ich glaube nicht, ich … Hör mal, Tom, keine Ahnung, was für einen Grund Huck hatte, Tante Polly zu erschlagen, und ich weiß, er war mal dein Freund, aber Huck war es, das kannst du mir glauben, Tom. Er war früher vielleicht mal ein netter Kerl, obwohl ich ihn noch nie ausstehen konnte. Aber seit du weg bist …«
    Sid brach ab, und Joe Harper sprang ein. »Sid denkt sich das nicht aus, Tom. Huck Finn ist ein Mistkerl. Fast noch schlimmer, als sein Vater einer war. Er trinkt, er klaut, er prügelt sich. Er hat kein Haus und schon gar keine Arbeit. Huck lebt irgendwo im Wald oder am Fluss – das weiß keiner so genau. Vor etwa einem Monat konnte ich die Männer der Stadt gerade noch davon abhalten, ihn zu lynchen, weil er sich beim Gemeindefest an Sally Austin, das ist die kleine Schwester von Mary Austin, vergehen wollte. Sie waren beim Friedhof, das Mädel war vierzehn, und sie hat geschrien. Die Männer kamen gerade noch rechtzeitig. Sie haben ihn quasi von ihr runtergezogen, Tom.«
    Tom nickte betroffen. Die beiden hatten recht. Die Tatsache, dass der Sack leer gewesen war, besagte gar nichts. Wer lief schon mit einem blutigen Sack herum? Und vielleicht hatte sich Sid ja auch getäuscht, und in dem Sack war doch etwas gewesen. Dass Joe Harper offensichtlich ein Stümper war und keine Ahnung hatte, wie man den Schauplatz eines Mordes anständig untersuchte, machte die Sache nicht besser. Und Huck … Hucks Vater war ein grausamer Despot und ein furchtbarer Trinker gewesen und hatte Huck als kleinen Jungen so oft blutig geschlagen, dass Huck irgendwann abgehauen war. Ein Trinker, ein Schläger, immer Schwierigkeiten mit dem Gesetz.
    Immer wieder die gleiche Geschichte.
    Vor fünf Jahren hatte Tom Walter P. Winslow, einen krankhaften Mörder, ins nagelneue Joliet Prison vor den Toren Chicagos gebracht. Winslow war ein perverser Sadist, ein kaltblütiger Killer, der junge schwarze Männer angesprochen und sich als Schaffner der Untergrundbahn ausgegeben hatte, einer Organisation, die entflohenen Sklaven dabei half, in die Nordstaaten zu flüchten. Winslow gab vor, auch den Familien der jungen Männer helfen zu können, die noch im Süden in Staaten lebten, wo es weiterhin Sklaverei gab.
    Winslow war ein Holzfäller, der sich nebenher mit Schreinerarbeiten über Wasser hielt. Er hatte die jungen Männer mit Versprechungen zu sich nach Hause gelockt und ihnen mit einem Schäleisen, mit dem man normalerweise die Rinde von einem Baum schabte, den Leib aufgeschlitzt. Er hatte gesagt, es bereite ihm Genuss, den Blick in ihren Augen zu sehen, wenn sie ihr eigenes, noch schlagendes Herz in den Händen hielten. Auf dem Weg ins Gefängnis aber hatte Winslow in Pinkertons schwarzer Kalesche geheult wie ein kleines Kind und von seinem Vater erzählt. Einem Trinker und Schläger, der immer Schwierigkeiten mit dem Gesetz hatte – und der den kleinen Walter immer wieder blutig geschlagen hatte. Tom hatte die Geschichte so oder so ähnlich auch von anderen Mördern so oft gehört, bis sie ihm zu den Ohren heraushing. Er hatte Winslow angefahren, es solle die Klappe halten. Es gab keine Entschuldigung für das, was diese Bestien taten, und doch glaubte Tom, ein Muster in diesen Lebensläufen zu erkennen. Ein Trinker und Schläger, immer Schwierigkeiten mit dem Gesetz.
    Aber Huck? Sein Huck ein Mörder?
    Joe Harper räusperte sich. »Tja, ich …« Er deutete unbestimmt mit dem Daumen auf die Hintertür der Stube, die in den Garten führte.
    Sid nickte beflissen. »Sicher, Joe, du hast ’ne Menge zu tun.«
    Joe grinste dankbar, doch er machte keine Anstalten zu gehen,

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