Der Mann, der sein Leben vergaß
war ein Geschäftsmann der ›first class‹. Aufgewachsen in einem adeligen Hause voller Grandezza und uralter Tradition, wehte ihn der Wind einer gesellschaftlichen Neuordnung in das Büro einer portugiesischen Reederei, die er mit Unterstützung seiner einflußreichen und hochadeligen Verwandten schnell wieder verließ und sich zunächst in Lissabon, dann in Barcelona und zuletzt in Amsterdam als Großkaufmann und Exportvermittler niederließ.
Was er en gros handelte und welche Exporte er vermittelte, war nie so richtig klargeworden. Jedenfalls besaß er von Hause aus ein großes Vermögen, kaufte sich in Amsterdam eine Villa, hatte nichts dagegen, als man ihn zum Konsul seines Landes bestimmte, fuhr vierteljährlich nach einem bestimmten Plan nach Den Haag zur Besprechung mit dem Gesandten und lebte im allgemeinen das Dasein eines reichen, biederen Bürgers mit Stammloge im Opernhaus und jährlichen Stiftungen für das Amsterdamer Waisenhaus.
Die Tätigkeit eines Konsuls ist mehr oder weniger ehrenamtlich. Neben Portoauslagen und einer kleinen Aufwandsentschädigung ist es lediglich eine Repräsentation der eigenen Person für das Heimatland und verpflichtet einen ausgewogenen und der Öffentlichkeit gegenüber mustergültigen Lebensstandard. Das wäre alles gut gegangen, wenn Don Manolda nicht die Hälfte seines Vermögens in verzwickte Aktienspekulationen gesteckt hätte, die nach einiger Zeit reihenweise platzten und den Edelmann in eine pekuniär gefahrvolle Situation brachten.
Da erinnerte sich Manolda seines alten Freundes Prof. Destilliano in Lissabon. Man traf sich in Marseille, unterhielt sich angeregt und fuhr nach zwei Tagen mit der Gewißheit ab, auf Lebenszeit untrennbar miteinander verbunden zu sein.
Von diesem Tage an begannen sich die Finanzen Konsul Manoldas sichtlich zu bessern, nur wurde das Exportgeschäft jetzt vom Land auf die See verlegt, und Manolda war öfters unterwegs, um an einigen nicht bekannten Lagerplätzen nach dem Rechten zu sehen.
Das alles war ganz normal und zutiefst verständlich.
Nicht normal und durchaus nicht verständlich war dagegen die Tatsache, daß beim Amsterdamer Rauschgiftdezernat der Kriminalpolizei die Kurve auf der Tabelle rapid in die Höhe ging und die illegale Einfuhr von Kokain, Opium und Morphium zu einer der ernstesten Sorgen der Staatspolizei gehörte. Die Erkrankungen gingen in Amsterdam schon in die Hunderte, und noch immer flossen durch geheime Kanäle Ströme von Rauschgift nach Amsterdam und ganz Holland.
Konsul Don Manolda, im Rat der Großkaufleute eine gewichtige Stimme, wetterte jeden Sonntag auf dieses Höllenpack und verlangte die schärfste Abwehr – doch unaufhaltsam wurde das Rauschgift ausgestreut zum Hohne der machtlos im dunkeln tappenden Behörden.
Konsul Don Manolda legte die Zeitung hin und blickte an die Decke.
Er rechnete.
Der Fall der Ölaktien bedeutete für ihn einen Verlust von fast 20.000 Gulden – eine Riesensumme, wenn man sie in argentinische Währung umrechnete, denn seine argentinische Bank hatte das Geschäft für ihn vermittelt. Der Verlust mußte irgendwie aus dem Exportgeschäft gedeckt werden, wenn nicht die Arbeit langer, schwerer und gefahrvoller Jahre umsonst sein sollte. Als er gestern abend wegen dieses verrückten Pieter van Brouken mit seinem Freunde Destilliano telefonierte, hatte er bereits in einer dunklen Vorahnung so etwas angedeutet. Und Prof. Destilliano hatte zugesagt, sofort auf dem Luftwege nach Amsterdam zu kommen, um die Notlage abzuwenden und gleichzeitig den merkwürdigen, vor zwei Jahren gestorbenen Dr. Fernando Albez zu betrachten und zu sprechen.
Das alles beruhigte Don Manolda ein wenig. Doch in seinem Innern wühlte eine Unruhe, eine Ungewißheit, die ihn ein bißchen unsicher machte. Das Auftauchen eines gestorbenen Landsmannes – oder war es auch nur ein holländischer Schwindler – war weniger beunruhigend als die Angabe seiner angeblichen Lissaboner Wohnung. Denn mit dem Hause Rua do Monte do Castello hatte es eine besondere Bewandtnis, die zu den verschwiegensten Geschäftsgeheimnissen Don Manoldas und Prof. Destillianos gehörten.
Der fremde Gast mit dem Paß Pieter van Brouken wurde dem Konsul unheimlich.
Was wußte er von der Rua do Monte do Castello?
Lief das Ganze vielleicht auf eine nette Erpressung hinaus?
Es war höchste Zeit, daß Destilliano nach Amsterdam kam. Auf jeden Fall wurde der Bursche so lange im Hause festgehalten, bis seine Absichten klar und alle
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