Der Mann, der sein Leben vergaß
man ihn nicht gesehen habe und alle Nachforschungen vergeblich waren!
Selvano schickte eine Anfrage nach Santa Cruz de Tenerife.
Wer ist dieser Baron Siegurd v. Pottlach?!
Die Antwort war für Kommissar Selvano zerschmetternd.
Der beste und angesehenste Handelsherr von Teneriffa sei Baron v. Pottlach, hieß es. Seinen Aussagen sei unbedingt Glauben zu schenken – er gehöre zu den gewissenhaftesten und lobenswertesten Bürgern der Inseln.
Selvano war am Ende seiner Kräfte. Er wußte es fast greifbar, daß der verbrannte, unbekannte Tote Konsul Don Manolda war … und doch war er zwei Tage nach seinem Tod in Teneriffa und kaufte Bananen …
»Wahnsinn«, sagte Selvano und vergrub sein Gesicht in den Händen, während Primo Calbez wütend an seiner Pfeife nagte. »Einfach Wahnsinn! Ich bin am Ende meiner Weisheit … das habe ich noch nicht erlebt …«
Stille, unheimliche Stille legte sich über das Rauschgift-Dezernat. Selvano und Primo Calbez lagen wie Katzen auf der Lauer. Sie ahnten die Zusammenhänge und waren dennoch machtlos.
Sie warteten auf den großen Fehler, den einmal jeder Verbrecher begeht.
Auf den Fehler, der das Geheimnis enthüllte …
Das plötzliche Verschwinden Konsul Manoldas wirkte auf Dr. Albez merkwürdigerweise nicht lähmend, sondern im Gegenteil anspornend und sein geschäftliches Interesse aktivierend. Zwar waren seine Gedanken durch diese neue, unmittelbar in sein Leben eingreifende Ereignis äußerst aufgewühlt und erschreckt worden, denn die Serie der Unglücksfälle mußte irgendwie einen inneren Zusammenhang besitzen – das fühlte er –, aber nach außen hin behielt er seinen ruhigen und alle Menschen erstaunenden Geschäftssinn und Gleichmut und baute die einmal gegründete Obst-Export-Gesellschaft mit Hilfe des Barons v. Pottlach nun auch in großem Stil aus.
Dr. Fernando Albez war sich noch unschlüssig, was er beginnen sollte, als Kommissar Antonio de Selvano und Primo Calbez die Nachforschungen nach Konsul Manolda einstellten und auch die Verhöre ergebnislos abbrachen. Daß man ihn verdächtigte und seine Jacht Anita durchsuchte, empfand er zuerst lächerlich, doch dann begann ihm zu dämmern, daß man ihn als den Mittelpunkt irgendeines Ereignisses oder einer Tatsache betrachtete, die ihm selbst völlig unbekannt war. Die Durchsuchung seiner Felsenvilla, die Gegenüberstellung mit der schrecklich verkohlten und unkenntlichen Leiche eines ihm fremden Mannes, die Kontrollierung seines Obstgeschäftes und die im Polizeipräsidium arrangierte Begegnung mit dem ihm unbekannten Direktor Bonheas erschienen ihm heute bei nüchterner Überlegung als Teile eines präzisen Planes, der sich um seine völlig außenstehende Person drehte.
Dr. Albez mußte trotz des Ernstes der Sache lächeln.
Verdächtigte man ihn des Mordes an Konsul Manolda?
Wer sagt denn überhaupt, daß Manolda ermordet wurde?! Hat er nicht vor einigen Tagen noch in Teneriffa 3.000 Kisten Bananen gekauft? Die Aussage des Kaufherrn Baron v. Pottlach war doch klar und eindeutig. Und zudem waren die Kisten auch bereits geliefert worden!
Baron v. Pottlach! War das nicht der Mann, der nach Manoldas Geschäftsplan einmal den Einkauf auf dem afrikanischen Markt übernehmen sollte?! Vielleicht wußte er mehr über das Verschwinden Manoldas?! Vielleicht auch bereiste Manolda in einer plötzlichen Eingebung den afrikanischen Markt und schrieb nicht, um die Konkurrenz nicht aufmerksam zu machen?!
Dr. Albez stand an dem großen Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinaus auf das weite schillernde Meer. Die Schaumkronen der gebrochenen Wellen tanzten um die Klippen.
»Man müßte nach Teneriffa fahren«, dachte Albez und lehnte sich an den Fenstervorsprung. »Damals bei Anita und Destilliano war ich wie von Sinnen und tobte wie ein Irrer … das war ein Fehler, und die Spuren verwischten sich. Aber jetzt will ich ihnen nachfahren … und wenn es rund um die Welt ist … Irgendwie, das fühle ich, hängt das alles miteinander zusammen!«
Fernando Albez war kein Mann, der einen Entschluß lange zögernd überdenkt. Mit festem Griff nahm er den Telefonhörer von der Gabel, wählte eine Nummer und wartete, am Fenster stehend, bis sich eine Stimme meldete.
»Hier José Biancodero«, sagte er laut und selbstbewußt. »Ist dort Kommissar Selvano?«
»Ja. Am Apparat.«
»Sehr gut. Herr Kommissar – ich möchte verreisen. Ich bitte Sie um Auskunft, ob ich morgen ungehindert fahren kann oder noch unter Kontrolle
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