Der Mann, der sein Leben vergaß
stehe.«
»Kontrolle?« Die Stimme des Kommissars klang gedehnt und äußerst erstaunt. »Sie sind nie kontrolliert worden, Señor Biancodero. Wir würden uns nie erlauben, in Ihr Privatleben einzugreifen.«
»Merkwürdig.« Dr. Albez schüttelte den Kopf. »Seit fünf Tagen beobachte ich und meine Bediensteten, daß unser Felsen von mindestens fünf bis sieben Mann Tag und Nacht regelrecht bewacht wird. Gestern stöberte mein Gärtner in der Hecke sogar einen Bauern auf, der sich in meinem Garten verlaufen hatte!« Deutlich und voll Ironie betonte Albez das Wort ›verlaufen‹. Um die Wirkung noch zu verstärken, legte er eine kurze Sprechpause ein. Dann fuhr er fort: »Sollten Sie denn wirklich nichts wissen, Kommissar?!« fragte er.
Die Stimme Selvanos war erregt, als er jetzt antwortete.
»Was Sie da sagen, ist ungeheuer interessant«, rief er. »Primo Calbez sagt mir eben, daß er keine Bewachung von Cintra angeordnet hat. Die Leute, die Sie dennoch beobachten, können nur aus jenen Kreisen stammen, die mit dem rätselhaften Verschwinden Konsul Manoldas zusammenhängen. Seien Sie äußerst vorsichtig, Señor Biancodero – verlassen Sie Ihr Haus nicht mehr nach Anbruch der Dunkelheit, und vor allem nie allein! Die Beobachtung Ihrer Person beweist mir, daß an Konsul Manolda ein Verbrechen begangen worden ist! Ich werde sofort mit einigen Leuten zu Ihnen hinauskommen und versuchen, einige dieser Vögel zu fangen!« Die Stimme Selvanos brach ab, ein eiliges, unverständliches Flüstern tönte durch die Leitung. Dann war Selvanos Stimme wieder da und fragte: »Kann man auch vom Meer aus auf Ihren Felsen?«
»Schlecht. Der einfachste Weg ist der normale über die Straße.«
»Gibt es denn noch einen komplizierten Weg?« fragte Selvano gespannt.
»Ja. Er führt von Azenhas do Mar aus die Küste entlang und endet in einem steilen Fußpfad, der in einer tunnelartigen Höhle mündet. Diese vom Meere ausgewaschene Höhle geht man quer durch und kommt durch ein halb mannsgroßes Felsenloch auf ein Plateau, von dem ein schmaler Felssteig über die Klippen rund um den Felsen bis zu meiner Gartenhecke führt. Eine tolle Kletterei!«
»Und man kann den Weg auch des Nachts begehen?«
»Wohl kaum! Es kommt auf jeden Schritt an. Ein Fehltritt – und man saust in das klippenreiche Meer und die kochende Brandung. Man müßte schon ganz sicher sein, um diesen Weg des Nachts zu gehen.«
»Trotzdem. Primo Calbez wagt es. Er wird morgen nacht über den Felsenpfad mit drei Beamten eintreffen. Verstehen Sie, wir möchten von Ihren Bewachern nicht gesehen werden. Nur so wird es uns möglich sein, einen wirksamen Gegenzug zu unternehmen.«
Dr. Albez hatte mit Spannung zugehört, doch jetzt schüttelte er den Kopf.
»Ihre Beamten sind mir willkommen«, sagte er. »Sie sollen ein gastfreies Haus vorfinden – und Glück wünsche ich ihnen auch. Aber mich, lieber Kommissar, müssen Sie entschuldigen. Ich muß dringend in geschäftlichen Dingen verreisen. Darum rief ich auch bei Ihnen an. Vor allem möchte ich Sie bitten, meine Jacht wieder freizugeben.«
Vom anderen Ende der Leitung tönte wieder das undeutliche Flüstern. Endlich antwortete Kommissar Selvano mit einer Frage:
»Sie wollen über See verreisen, Señor?«
»Ja.«
»Und gerade jetzt, wo Sie von Unbekannten bewacht werden und uns eine Spur geben?!«
»Gerade jetzt! Ich will nach Teneriffa!«
»Ach! Nach Teneriffa!«
»Ja. Zu dem Kaufherrn Baron v. Pottlach. Er hat Konsul Manolda zuletzt gesehen. Von dort aus hoffe ich, vielleicht eine Spur zu finden. Das Verschwinden meines Kompagnons fällt mir jetzt langsam selbst auf die Nerven!«
»Endlich!« stöhnte Selvano ehrlich. Dr. Albez mußte lächeln.
»Ja, endlich! Ich erinnere mich, daß Manolda vor kurzem sagte, er müßte einmal den afrikanischen Markt bereisen und dort die Konkurrenz herausboxen. Daß dies aber so plötzlich und ohne Benachrichtigung geschehen sein sollte, will mir nicht in den Sinn … Immerhin deutete Manoldas erwähnte Reise nach Teneriffa und Weiterfahrt nach Las Palmas nach unserem Auslieferungslager an, daß er eine geschäftliche Aktion plante. Und das will ich eben an Ort und Stelle nachprüfen!«
»Er ist aber in Las Palmas nicht angekommen!«
»Das ist es ja, was mich stutzig macht! Irgendwie muß er plötzlich durch ein Ereignis seinen Plan geändert haben und ist von Teneriffa aus direkt aufs afrikanische Festland gefahren. Oder – was wir nicht hoffen wollen – die
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