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Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Titel: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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«Veröffentlichen Sie solche Geschichten, auch wenn sie nichts weiter sind als Skizzen. Es ist ein Reich des Wunderbaren. » Ich gestehe, daß mich diese Störungen faszinieren, denn sie erschließen, vielmehr: sie versprechen uns Einblicke in Bereiche, von denen man bisher kaum eine Vorstellung hatte, und geben Anstöße zur Entwicklung einer offeneren und weiträumigeren Neurologie und Psychologie, die sich in aufregender Weise von der recht starren und mechanistischen Neurologie der Vergangenheit unterscheidet.
    Es sind also weniger die Ausfälle im traditionellen Sinne, die mich interessieren, als vielmehr die neurologischen Störungen, die sich auf das Selbst auswirken. Solche Störungen können von mancherlei Art sein und ebenso aus einer Übersteigerung wie aus einer Beeinträchtigung von Funktionen entstehen. Daher erscheint es vernünftig, diese beiden Kategorien getrennt zu untersuchen. Ich möchte jedoch gleich zu Anfang darauf hinweisen, daß eine Krankheit nie lediglich ein Oberschuß oder eine Einbuße ist, sondern daß es immer eine Reaktion des betroffenen Organismus oder des Individuums gibt, die darauf abzielt, etwas wiederherzustellen, zu ersetzen, auszugleichen und die eigene Identität zu bewahren, ganz gleich, wie seltsam die Mittel zu diesem Zweck auch sein mögen. Es ist ein wesentlicher Teil unserer Aufgabe als Ärzte, nicht nur die pathogene Schädigung des Nervensystems, sondern auch diese Mittel zu untersuchen und zu beeinflussen.
    Ivy McKenzie hat diesen Punkt eindrucksvoll unterstrichen: «Was macht denn eigentlich einen ‹Symptomkomplex› oder eine ‹neue Krankheit› aus? Der Arzt beschäftigt sich nicht, wie der Naturwissenschaftler, mit einer Vielfalt verschiedener Organismen, die theoretisch einer durchschnittlichen Umgebung auf durchschnittliche Weise angepaßt sind, sondern nur mit einem einzigen Organismus, nämlich dem des Menschen, der seine Identität unter widrigen Umständen zu bewahren sucht. »
    Diese Dynamik, dieses «Streben nach Bewahrung der Identität», so sonderbar die Mittel und Auswirkungen dieses Strebens auch sein mögen, hat die Psychiatrie schon vor langer Zeit erkannt, und diese Erkenntnis ist, wie so vieles andere, eng mit dem Werk Sigmund Freuds verknüpft. So waren für ihn Wahnvorstellungen nicht primäre Erscheinungen, sondern der (wenn auch fehlgeleitete) Versuch der Wiederherstellung, der Rekonstruktion einer Welt, die dem Chaos anheimgefallen ist. Eben dies meint Ivy McKenzie, wenn er schreibt: «Die Pathophysiologie des Parkinson-Syndroms ist die Beschreibung eines organisierten Chaos, eines Chaos, das in erster Linie durch die Zerstörung wichtiger Integrationen entstanden und im Verlauf des Rehabilitationsprozesses auf einer unsicheren Basis reorganisiert worden ist. »
    So wie ich in meinem Buch ‹Bewußtseinsdämmerungen› ein «organisiertes Chaos» untersucht habe, das als Folge einer einzigen, wenn auch vielgestaltigen Krankheit auftritt, so sind die folgenden Beiträge eine Reihe ähnlicher Untersuchungen des organisierten Chaos, das durch eine große Vielfalt verschiedener Krankheiten hervorgerufen wird.
    Der in meinen Augen wichtigste Fall in diesem ersten Abschnitt «Ausfälle» ist der einer besonderen Art von visueller Agnosie: «Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte». Meiner Meinung nach ist er von fundamentaler Bedeutung. Solche Fälle stellen ein unantastbares Axiom der klassischen Neurologie in Frage - insbesondere die Annahme, daß jede Hirnverletzung das (um mit Kurt Goldstein zu sprechen) «abstrakte und kategorielle Vermögen» schwächt oder aus löscht und das Individuum auf das Emotionale und Konkrete reduziert. (Eine sehr ähnliche These stellte in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts Hughlings Jackson auf.) Hier, im Fall von Dr. P., ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall: Dieser Mann hat (wenn auch nur im visuellen Bereich) das Emotionale, das Konkrete, das Persönliche, das «Reale» völlig verloren... und ist gleichsam, mit geradezu absurden Konsequenzen, auf das Abstrakte und Kategorielle reduziert. Was hätten wohl John Hughlings-Jackson und Kurt Goldstein daraus geschlossen? Ich habe sie in Gedanken oft gebeten, Dr. P. zu untersuchen, und sie dann gefragt: «Nun, meine Herren, was sagen Sie jetzt?»

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Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte
    Dr. P. war ein ausgezeichneter Musiker. Er war lange Zeit ein berühmter Sänger gewesen, bevor er einem Ruf als Professor an die hiesige

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