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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Kerl mit stählernem Blick und kantigem Kinn wie James Bond oder Action Man – auch wenn die Blutflecken und aufgeschnittenen Pickel, die dringend der Verarztung bedurften, mich in diesem Eindruck nicht unbedingt bestärkten. Da die glattrasierte Gestalt noch immer in den zerknautschten, schäbigen Uraltklamotten steckte, die ich in Garys und Lindas Schlafzimmerschrank gefunden hatte, nahm ich umgehend Phase zwei meines Aktionsplans in Angriff.
    Gary hatte meine Amnesie kurzerhand als »eine Art Midlife-crisis« abgetan, eine Unterstellung, die ich nachdrücklich zurückgewiesen hatte, schließlich stand ich am Anfang eines neuen Lebens. »Was machst du so ein albernes Theater, bloß weil du demnächst vierzig wirst?«, hatte er gesagt. »Lass dir ’nen Ohrring stechen, kauf dir ’nen roten Sportwagen und fertig.« An diese goldenen Worte musste ich denken, als ich in die Herrenabteilung eines großen Kaufhauses spazierte und dem Verkäufer erklärte, ich bräuchte einen neuen Anzug.
    »Aber gern, Sir.«
    »Etwas Edles soll es sein, stilvoll und schick …« Ich warf einen Blick in den Spiegel und bemerkte, dass noch immer ein Stück blutbeflecktes Klopapier an meiner Wange klebte.
    Die Hersteller der Anzüge, die mir am besten gefielen, hatten an der Ausstattung wahrlich nicht gespart, vom aufwendig gemusterten Futter bis hin zu versteckten kleinen Innentaschen. Als ich in den Spiegel schaute, fühlte ich mich gleich drei Zentimeter größer; ich wirkte elegant und souverän, und der Verkäufer stellte seine unschlagbare Kompetenz unter Beweis, indem er mir mit leicht blasierter Kennermiene versicherte, der Anzug sei in der Tat »sehr schön«. Als ich in sein angestammtes Revier eingedrungen war, hatte das kleine Alphamännchen mich mit reichlich geringschätzigem Blick taxiert – und der Umstand, dass ich mich nicht an die PIN -Nummer meiner Kreditkarte erinnern konnte, tat seiner Arroganz nur wenig Abbruch. Ich schickte Maddy eine panische SMS , und sie versorgte mich postwendend mit den erforderlichen Informationen zur Bewältigung des modernen Lebens: meiner PIN -Nummer, dem Mädchennamen meiner Mutter sowie meinem streng geheimen Passwort. Derart gewappnet erstand ich drei Designeranzüge, drei Hemden sowie zwei Paar Schuhe. Einen der Anzüge behielt ich an; meine alten Klamotten wurden auf die diversen Plastiktüten verteilt, obwohl ich eigentlich nicht die Absicht hatte, sie noch einmal anzuziehen.
    Einen Monat nach meinem Gedächtnisverlust startete ich Vaughan 2.0. Zugegeben, das Betriebssystem funktionierte noch nicht einwandfrei, und die Speicherkapazität war zweifellos begrenzt, dafür sah das neue Modell wesentlich schnieker und kompakter aus. Es verfügte über eine benutzerfreundlichere Bedienungsoberfläche, es qualmte nicht, und auch sein Akkuverbrauch hielt sich in Grenzen. Kurz: Es war genau die Sorte Hardware, die eine Frau wie Maddy begehrenswert und, früher oder später, unentbehrlich finden würde.
    »Bitte sehr, Sir«, sagte der Verkäufer und reichte mir die Anzüge in riesigen, nobel aussehenden Tüten über den Tresen. »Ein besonderer Anlass?«
    »Sozusagen. Ich habe soeben meine Frau kennengelernt.«
    »Gratuliere! Und wann wird geheiratet?«
    »Eins nach dem anderen«, sagte ich und steckte die Quittung in den Beutel. »Erst muss ich mich von ihr scheiden lassen …«

11. KAPITEL
    Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens stand auf der Grußkarte mit der putzigen Robbe, die treuherzig in die Kamera glotzte. Das stimmte mich zuversichtlich. Als ich die Karte aufklappte, sah ich das Bild eines Robbenjägers, der ein paar Schritte weiter mit dem Knüppel wartete, und darunter stand: Übrigens, heute ist auch der letzte Tag vom Rest deines Lebens.
    Ich durchstöberte die endlosen Reihen ebenso überteuerter wie nichtssagender Karten und verzweifelte schier angesichts des überwältigenden Angebots. Mochte Dillie niedliche Tiere? Mochte sie Fotos von coolen älteren Mädchen? Für Disney-Prinzessinnen war sie doch sicher schon zu alt? Ich wollte auf keinen Fall etwas falsch machen. Da, genau das hatte ich gesucht. Tut mir leid, dass ich deinen Geburtstag vergessen habe … Ich klappte die Karte auf und las die Pointe: … das ist schon ein ziemlich dicker Hund . Ich betrachtete die Vorderseite, auf der ein hässlicher, verfetteter Köter abgebildet war. Ich las die Pointe noch einmal: … das ist schon ein ziemlich dicker Hund . Meine Amnesie hatte offenbar auch den Teil meines

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