Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
Online-Memoiren mehr geworfen, und als ich mich an diesem Abend einloggte, stellte ich mit Erstaunen fest, dass sich das Bild komplett gewandelt hatte. Eine zweite Rundmail mit der Aufforderung, doch bitte etwas beizusteuern, hatte ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlt, denn meine Lebensgeschichte nahm nach und nach Gestalt an. Auch wenn sich dieser Aufgabe längst nicht alle mit akademischer Strenge und der erhofften Objektivität gewidmet hatten.
    Jack Joseph Neil Vaughan, kurz »Vaughan«, wurde am 6. Mai 1971 geboren. Sein Vater Keith Vaughan war ein hochrangiger Offizier der Royal Air Force, und seine Mutter arbeitete als Fremdsprachensekretärin. Da sein Vater in Übersee stationiert war, verbrachte Vaughan seine Kindheit in verschiedenen Ländern. Er besuchte die Bangor University, wo er das Fach Geschichte mit der Note 2,5 (mit Erfolg bestanden) abschloss, ganz im Gegensatz zu seinem Freund Gary, der für seine Diplomarbeit eine glatte 2 (mit Prädikat) erhielt. Die beiden Freunde spielten gemeinsam Fußball, obwohl Vaughan schon bald auf der Ersatzbank landete, während Gary in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zum Torschützenkönig avancierte und bei der Wahl zum Spieler der Saison den zweiten Platz belegte.
    In seinem ersten Studienjahr in Bangor lernte Vaughan seine spätere Frau Madeleine kennen. ( Bitte ergänzen ) Maddy ist rattenscharf, eine echte MILF . Pfoten weg! Sie ist meine Traumfrau und nicht deine, du Pervo, auch wenn sie locker über 35 ist.
    Vaughan und Maddy haben zwei Kinder: Jamie (13) und Dillie (11). Seit 2001 unterrichtet Mr. Vaughan Geschichte an der Wandle Academy, der ehemaligen William Blake Secondary School in Wandsworth. Letztes Jahr durfte er die Klassenfahrt des Geschichtsleistungskurses leiten, obwohl ein anderer Lehrer weitaus bessere Vorschläge gemacht und bessere Bewertungen erzielt hatte als er. Weil er so gern Toiletten schrubbt, trägt er den Spitznamen »Kloputzer Vaughan« alias »Closettus maximus« alias »Oberklomeister« alias »der Bürstinator«. Zickezacke, weg die Kacke, hoi, hoi, hoi!
    Bei einer Fachtagung in Kettering hielt Vaughan einen Vortrag zum Thema »Was ist guter Unterricht?«. Es war todlangweilig. Um nicht zu sagen schweineöde. Leider begnügte er sich nicht damit, stundenlang steinöde Daten herunterzubeten, sondern hatte die steinöden Daten obendrein zu einer PowerPoint-Präsentation »aufbereitet« und entblödete sich nicht, hinterher auch noch einen Ausdruck derselben steinöden Daten zu verteilen. Kloputzer Vaughan ist echt okay, weil er hat uns nicht an die Bullen verpfiffen, wie wir das Lama aus der City Farm haben mitgehen lassen.
    Mr. Vaughan residiert in derselben Straße wie Mr. Kenneth Oakes, einer der führenden britischen Vertreter der sogenannten Tischzauberei, Mitglied des Magischen Zirkels und nicht zuletzt gern gebuchter Gast bei Betriebs- und Familienfeiern; das Fachblatt The Stage bezeichnet ihn als »Großmeister der traditionellen Zauberkunst«. Vaughan spielt jeden Dienstagabend in einer Hallenmannschaft Fußball und wirkt dabei in etwa so leichtfüßig und elegant wie ein besoffener Strauß. Vaughan wohnt in Südlondon und hat am 6. Mai Geburtstag. Hallo, Vaughan, lange nicht gesehen, Alter! Sorry, dass ich das einfach hierhin kliere, aber Gary hat gesagt, es sollen alle irgendwas über dein Leben schreiben und so – er wollte rausfinden, ob du jetzt vollends durchgeknallt bist oder was, wahrscheinlich wieder einer von seinen blöden Witzen. Egal, gib mir Bescheid, wo ich was reinschreiben soll, dann probier ich’s mal. Mach’s gut, Karl.
    Als ich an diesem Abend zu Bett ging, sagte ich mir: Was geschehen ist, ist geschehen, daran lässt sich nichts mehr ändern. Abgesehen von der Geschichte mit meinem langweiligen Vortrag in Kettering – die ließ sich ändern. Auch auf die diversen Anspielungen auf meine mangelnden Ballkünste konnte ich gut und gern verzichten. Weg damit, nicht der Rede wert. Zeugte das hohe Maß an Sarkasmus und Spott von Zuneigung und einem ähnlich gelagerten Humor? Und warum nannten sie Maddy eine » MILF «, und was war das überhaupt?
    Ich googelte das Wort an Lindas Computer. Was mich in heftige Erklärungsnöte stürzte.

12. KAPITEL
    Anfang der Neunzigerjahre. Madeleine und ich sind noch kein Jahr zusammen. Maddy ist mit einer Freundin nach Brüssel gefahren. Als sie im Hotel ankommt, teilt ihr der Empfangschef mit, dass ein dringender Brief auf sie wartet. Sie öffnet den Umschlag

Weitere Kostenlose Bücher