Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
sagt, kriegt eine Dusche!«
    »Meinetwegen. Wenn du anfängst …«
    Jamie entschied sich für die Kategorie » Simpsons -Figuren«, und obwohl ich mich lediglich an Bart und Homer erinnern konnte, genügte Letzterer, um mit Wasser übergossen zu werden, was die Kinder irre komisch fanden. Ich war erstaunt, wie viel Spaß dieses russische Roulette light mir machte: der Augenblick der Anspannung, wenn man den gewählten Begriff aussprach, und die Erleichterung, wenn der Kelch im wahrsten Sinne des Wortes an einem vorüberging. Nun hatte ich die Macht über den Eierbecher. Ich wählte die Kategorie »Obst« und entschied mich für »Orange« als Schlüsselwort.
    »Banane«, sagte Dillie nervös.
    »Sternfrucht«, verkündete Jamie taktisch nicht ganz ungeschickt. Als Nächste war Maddy an der Reihe.
    »Orange«, sagte sie.
    Ich zögerte einen Sekundenbruchteil. »Nein …«, sagte ich und ging weiter. Kurz entschlossen bestimmte ich »Apfel« zum neuen Suchbegriff, und als Maddy in der nächsten Runde wieder richtiglag, änderte ich ihn erneut. Allmählich verlor ich den Überblick darüber, welche Früchte sie bereits genannt hatten und welche nicht, dann kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung über die Frage, ob eine Mandarine das Gleiche sei wie eine Satsuma, und da Dillie unbedingt auch einmal an die Reihe kommen wollte, beschloss ich, ihr das Wasser beim nächsten Mal einfach über den Kopf zu kippen, was mich in leichte Erklärungsnöte stürzte, als sie »Kartoffel« sagte. Während sie sich mit einem Geschirrhandtuch lachend das Haar abtrocknete, kam mir plötzlich eine ungemein plastische Erinnerung.
    »Wir haben das schon mal gespielt, nicht? In den Ferien, an einem Swimmingpool?«
    »Stimmt«, sagte Maddy. »In Frankreich. Wieder eine Erinnerung mehr!«
    »Und statt mir den Becher über den Kopf zu schütten«, ergänzte Jamie, »hast du mich hochgehoben und in den Pool geworfen.«
    »Stimmt. Und dann habe ich so getan, als würde ich nicht merken, wie Dillie sich von hinten anschleicht …«
    »Und dann hab ich dich ins Wasser geschubst!«
    Einen Augenblick lang war es still, dann sagte Dillie: »Können wir da noch mal hinfahren?« Die Antwort war Schweigen.
    »Vielleicht fahre ich mit euch irgendwann ja noch mal hin«, sagte ihre Mutter wenig überzeugend.
    »Nein, ich meine, wir alle zusammen. Können wir nicht noch mal hinfahren? Und am Pool das Wasserspiel spielen?«
    Ich vermied es, Maddy fragend anzusehen, und suchte krampfhaft nach den richtigen Worten, um das betretene Schweigen zu brechen. Schließlich rettete Jamie die Situation mit der überaus taktvollen Klarstellung: »Nein, du Schwachkopf. Sie lassen sich scheiden.«
    Und schließlich war es so weit: Die Kinder gingen zu Bett, und Maddy und ich blieben allein im Wohnzimmer zurück. Ich klaubte herumliegendes Geschenkpapier zusammen und brachte den Zettel in Sicherheit, auf dem Dillie, in codierter Form, das streng geheime Passwort für ihr neues Tagebuch notiert hatte. Ein ganzes Heer hochspezialisierter Dechiffrierungsexperten hätte Monate gebraucht, um den rätselhaften Hinweis zu entschlüsseln: »Der Name von unserem Hund.«
    »Na, das lief ja wie am Schnürchen«, meinte ich.
    »Jedenfalls besser als voriges Jahr, so viel steht fest.«
    »Ich fürchte, da musst du mir ein bisschen auf die Sprünge helfen …«
    »Letzte Weihnachten hatten wir einen Riesenkrach, weil du den ganzen Tag in diesem Sessel gesessen und dich bis zur Besinnungslosigkeit hast volllaufen lassen. Mit der Begründung, ›anders ist diese Ehe nicht mehr zu ertragen‹.«
    Bei dem Versuch, ein Stück Geschenkband aufzuheben, stieß ich gegen eine Christbaumkugel, worauf weitere tausend Nadeln von der angeblich nicht nadelnden Edeltanne rieselten.
    »Entschuldige die Frage, aber haben wir es mal mit Eheberatung probiert?«
    »Ja, aber nicht einmal in dieser Hinsicht waren wir uns einig. Ich wollte unsere Probleme lieber mit einer Therapeut in besprechen, was du mit dem Argument abgelehnt hast, dann hättest du von Anfang an die schlechteren Karten.«
    Es war eine schier ausweglose Lage, die einen Kompromiss praktisch unmöglich machte. Es sei denn, wir fanden eine Prä- OP -Transsexuelle, die ihre Brötchen als Eheberaterin verdiente. Aber unsere Ehe war ohnehin zerrüttet, da fehlte es gerade noch, dass ich ständig auf die neuen Brüste unserer Therapeutin starrte, während ich ihren Adamsapfel zu ignorieren versuchte. Ich plumpste aufs Sofa, und Maddy setzte

Weitere Kostenlose Bücher