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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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sich neben mich, schenkte sich Wein nach und bot mir den Rest der Flasche an.
    »Ich dachte, meine Sauferei wäre einer der Gründe, weshalb du dich von mir trennen wolltest?«
    »Spielt das jetzt noch eine Rolle?«
    Ich kippte meinen Wein in die Topfpflanze, die sie von ihrer Mutter zu Weihnachten bekommen hatte. »Na schön, höre ich eben auf zu saufen. Sonst noch was?«
    »Darüber möchte ich jetzt nicht reden.«
    »Nein, ich muss es wissen, ich verstehe es nämlich nicht. Warum lassen wir uns scheiden? Was, um Himmels willen, hat zwischen uns denn nun eigentlich nicht funktioniert?«
    »Ehrlich gesagt … alles.«
    »Damit ist mir nicht geholfen. Du musst schon etwas konkreter werden.«
    »Ich weiß auch nicht.« Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. »In deiner Jugend warst du voller Leidenschaft. Du wusstest ganz genau, was mit der Welt nicht stimmte und wie wir sie verändern mussten. Aber im Lauf der Jahre bist du zum bloßen Nörgler und Jammerlappen mutiert.«
    »Gut, halten wir das fest«, sagte ich. »Angeblich …«
    »Gott, mit deiner ewigen Meckerei hast du mir den letzten Nerv geraubt! Wie kann man sich nur über jede Kleinigkeit aufregen?« Sie redete sich in Fahrt. »Deine grauen Haare, deine Glatze, deine Falten, dein Bierbauch, all das hat mich nicht gestört. Aber dass du innerlich gealtert, geistig fett und unbeweglich geworden bist, das hat es mir wahrhaftig nicht leicht gemacht, dich zu lieben.«
    »Schon gut! Du brauchst nicht gleich so persönlich zu werden!«
    Ich stand auf und feuerte die leere Weinflasche mit solcher Wucht in den Altglaseimer, dass sie fast zerbrochen wäre. »Trotzdem, das ist doch wohl kaum ein Scheidungsgrund, oder? Hast du wirklich nichts Besseres zu bieten?«
    »Wir waren unglücklich.« Sie seufzte. »Wir haben uns von morgens bis abends gestritten, und darunter haben auch die Kinder gelitten. Ist das etwa nicht Grund genug?«
    »Aber worüber haben wir gestritten?«
    »Alles Mögliche. Du hast mich ständig ermuntert, mehr zu fotografieren und meine Bilder auszustellen. Aber als ich dann Karriere machte, hast du mir vorgeworfen, ich wäre nie zu Hause. Du hast den verständnisvollen Ehemann gemimt, aber als es ans Eingemachte ging und ich dich gebeten habe, zur Abwechslung mal den Arsch hochzukriegen und pünktlich aus der Schule zu kommen, statt ständig an Garys dämlicher Website rumzubasteln, da hast du gekniffen.«
    »Tja, ich weiß auch nicht, was ich mir von YouNews versprochen habe …«
    »Das war doch bloß ein Vorwand, um dich verdrücken zu können. Außerdem konntest du dir offenbar nicht vorstellen, dass ein gewisser Galerist tatsächlich an meinen Fotos interessiert sein könnte. Du hast gesagt: ›Der will dir doch bloß an die Wäsche.‹«
    »Okay – das klingt in der Tat bedenklich. Ich war vermutlich eifersüchtig. Kein Wunder, du bist schließlich ziemlich attraktiv, und das ist sicher auch besagtem Galeristen nicht entgangen.«
    »Was beweist, dass du mich immer nur als Betthäschen betrachtet hast. Ich zweifelte an meiner Arbeit und hatte Angst, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, und du hast es noch hundert Mal schlimmer gemacht, indem du meinen Erfolg kleingeredet und dem Galeristen unlautere Motive unterstellt hast.«
    »Einverstanden. Ich glaube gern, dass du das als beleidigend und egoistisch empfunden hast.«
    »Konnte er meine Sachen nicht einfach ausstellen, weil er meine Fotos interessant fand? Warum bist du automatisch davon ausgegangen, dass Ralph mir an die Wäsche wollte?«
    Fast wäre mir das leere Weinglas aus der Hand gefallen. Der Name war ihr offenbar versehentlich herausgerutscht.
    »Was?! Der ›gewisse Galerist‹ war Ralph? Eben hast du mir erzählt, ich hätte ihn nicht als Bedrohung betrachten oder ihm unlautere Motive unterstellen dürfen, und jetzt fährst du mit ihm nach Venedig?«
    »Ja, aber inzwischen hat sich ja auch einiges geändert. Damals war er weiter nichts als ein Geschäftsfreund.«
    »Der dir an die Wäsche wollte! Wusste ich’s doch.«
    »Gar nichts weißt du!«
    »Und ob ich das weiß! Herrgott, du tust, als wäre alles meine Schuld – dabei bin ich, im Gegensatz zu dir, nicht fremdgegangen. Ich habe dich nicht ein einziges Mal betrogen.«
    »Was soll denn das heißen? Ich dich auch nicht.«
    »Ach nein? Ist das etwa nicht dein Koffer, der da an der Tür steht? Die zwei Tickets nach Venedig nicht zu vergessen.«
    »Ach, darum geht es also? Es passt dir nicht, dass ich

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