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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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auch sauer sein können; eine Frau, die sich nichts sehnlicher wünschte als die Scheidung, hätte dies ebenso gut als Beleg für meine Inkompetenz oder Verantwortungslosigkeit werten können. Beim Essen erkundigte sie sich nach meinem Vater, interessierte sich für meine Arbeit, ja sie lachte sogar, als ich ihr erzählte, dass Gary neuerdings sämtliche Ehestreitigkeiten mit seinem iPhone aufzeichnete. »Also ehrlich, manche Paare sind schon komisch«, schien unser gemeinsames Gelächter zu bedeuten. »Warum können sie das Kriegsbeil nicht einfach begraben und sich vertragen …«
    Die angenehme Atmosphäre veranlasste Dillie zu der Frage, ob ich Weihnachten bei ihnen zu verbringen gedächte. Maddy nutzte die Gelegenheit, um auf die Toilette zu verschwinden. Dass sie dieses Thema nicht vor den Kindern erörtern wollte, war kein gutes Zeichen. Vielleicht stand sie aber auch vor dem Spiegel und überlegte krampfhaft, wie sie mir den Vorschlag unterbreiten sollte, wieder zu Hause einzuziehen, damit wir unserer Ehe eine zweite Chance geben konnten.
    »Kinder, ich finde, das sollten wir so bald wie möglich wiederholen. Ich könnte natürlich auch den Babysitter spielen, wenn Mum mal etwas vorhat.«
    »Au ja!«, rief Dillie. »Oder statt Granny, wenn Mum nach Weihnachten verreist. Bitte, Daddy, bitte!«
    »Aber natürlich, gern. Gute Idee.«
    Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Sie wollten mich allen Ernstes bei sich haben, solange Maddy fort war.
    »Äh, wo fährt Mum denn hin?«
    »Sie fährt mit Ralph nach Venedig«, sagte Dillie, und ihr Bruder warf ihr einen strafenden Blick zu.
    »Ralph? Wer ist Ralph?«
    »Na, Mums neuer Freund. Was sonst?«
    Maddy kam an den Tisch zurück und nippte an ihrem Weinglas.
    »Alles in Ordnung?«

13. KAPITEL
    »Vaughan ist ein wahrer Schatz«, sagte Maddys Mutter Jean, als ich umständlich zwei schmutzige Teller vom Tisch bugsierte und sie in mittelbarer Nähe der Spülmaschine abstellte. »Sieh dir das an, Ron – er räumt den Tisch ab. Ist er nicht ein Schatz, Madeleine?«
    »Es sind nur zwei Teller, Mum. Ich hingegen habe sämtliche Einkäufe erledigt, die Füllung und die Beilagen zubereitet, den Tisch gedeckt, die Sauce gekocht und den Truthahn tranchiert.«
    »Also, ich finde es wunderbar, wenn ein Mann in der Küche hilft. Seht euch das an! Er entsorgt sogar die Essensreste. Ein Traum.«
    Ich enthielt mich eines Kommentars, konnte der Versuchung, noch eins draufzusetzen, jedoch nicht widerstehen und erbot mich untertänigst, Kaffee zu kochen.
    »Hach, du bist ein Goldstück. Nein, setz dich. Du hast heute schon genug getan. Den Kaffee mache ich. Madeleine, Schätzchen, würdest du mir helfen?«
    Das Weihnachtsessen war reibungsloser als erwartet über die Bühne gegangen. Alle hatten den dampfenden, mit Schinkenröllchen und Miniwürstchen garnierten Monstertruthahn bestaunt; besonders der Hund, der ob seiner sündigen Gedanken reumütig den Kopf hängen ließ. »Ich könnte vor Scham im Erdboden versinken, aber ach, dieses saftige, hauchzarte Fleisch, es ist so nah und doch so fern; Himmel, ich sabbere ja schon wieder, ich komme einfach nicht dagegen an, o Gott, wie würdelos, wie peinlich …«
    Maddys Mutter stand ihrem Nochschwiegersohn keineswegs feindselig gegenüber. Ganz im Gegenteil, sie rühmte mich in einem fort für meine offenbar im Überfluss vorhandenen Qualitäten, vorzugsweise wenn ihr Gatte sich in Hörweite befand. »Vaughan hat Knallbonbons mitgebracht! Wie aufmerksam. Hast du gesehen, Ron? Vaughan hat Knallbonbons mitgebracht. Wie schön, dass du daran gedacht hast.«
    Wäre Jean etwas ehrlicher gewesen, hätte sie jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, eine große Papptafel hochhalten müssen, die den nicht eben subtilen Subtext ihrer Ausführungen erläuterte. »Was ist er doch für ein wunderbarer Vater! Hast du gehört, Ron? Vaughan war mit den Kindern auf dem Weihnachtsmarkt. Die beiden können von Glück sagen, dass sie so einen Vater haben …« Die dazugehörigen Untertitel lauteten: Du hast nie etwas mit den Kindern unternommen, Ron. Warum konntest du nicht ein bisschen mehr wie Vaughan sein? Oder: »Dein Vater hat im Haushalt nie einen Finger krumm gemacht, Madeleine. Du hast doch bestimmt viel mehr Arbeit jetzt, wo Vaughan dir nicht mehr helfen kann?« Mit anderen Worten: Mein Mann war wesentlich schlimmer als deiner, und ich bin trotzdem bei ihm geblieben. Und schließlich: »Warum kommt ihr mit den Kindern in den Sommerferien eigentlich

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