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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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raufschippern, nur um eine dämliche Gondel zu entführen.«
    »Ist doch alles dieselbe Richtung, oder? Venedig, Somalia. Diese Leute kennen keine Skrupel. Zu meiner Zeit waren Piraten fröhliche, Säbel schwingende Gesellen mit Papageien und Holzbeinen. Warum kann eigentlich nichts so bleiben, wie es ist?«
    Unbeeindruckt von diesen offensichtlichen Gefahren, würde Maddy am nächsten Morgen um sechs todesmutig zum Flughafen aufbrechen, und ich wäre mit den Kindern allein. Anfangs hatte ich befürchtet, meine Schwiegermutter sei eventuell beleidigt, weil sie nicht auf ihre Enkel aufpassen durfte, aber wie sich herausstellte, hielt Jean es für eine großartige Idee, dass ich in den Schoß der Familie zurückkehrte. »Ist es nicht wunderbar, dass Vaughan wieder zu Hause einzieht? Darauf müssten wir eigentlich mit einem Gläschen Champagner anstoßen!«
    »Er zieht nicht wieder bei uns ein, Mum. Er wohnt nur hier, solange ich verreist bin.«
    »Und ich schlafe im Gästezimmer«, ergänzte ich mit einem verstohlenen Blick zu Maddy. »Der Hund hat das Doppelbett für sich allein.«
    »Trotzdem«, beharrte Jean. »Es wird den Kindern guttun, wenn ihr Vater da ist. So viele Kinder heutzutage haben gar keinen Vater mehr, und ich finde, das ist ein Skandal.«
    Der weihnachtlichen Tradition des Zuvielessens folgte die weihnachtliche Tradition des Zuvielfernsehens, wobei die Großeltern die Lautstärke auf »zu laut« und die Heizung auf »zu heiß« drehten. Mich sprach Ron im Lauf des Tages nur zweimal an: Erst fragte er nach meinem Vater, worauf ich log, er habe geschlafen, als ich ihn morgens in der Klinik besucht hatte. Und dann erkundigte er sich nach meiner Krankheit und präsentierte mir zu meinem Erstaunen eine Reihe von Büchern über Amnesie und Neuropsychologie, die er sich aus der Bibliothek geliehen hatte.
    »Das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, Ron«, sagte Jean. »Weihnachten ist ein Fest der Freude. Wer möchte da schon daran erinnert werden, dass er plemplem geworden ist?«
    Abends schauten wir uns zusammen Tatsächlich … Liebe an, einen Film, dem Maddys Mutter nur schwer folgen konnte, was sie zum Glück davon abhielt, ihn ausführlich zu kommentieren. Dillie hatte die DVD zu Weihnachten bekommen, und Emma Thompson war einfach hinreißend in der Rolle der betrogenen Ehefrau, die ihre Familie allen Widrigkeiten zum Trotz zusammenhält. Nicht ganz so überzeugend fand ich, wie der kleine Junge über die Sicherheitsabsperrung am Flughafen springt, ohne von bewaffneten Polizeibeamten niedergeschossen zu werden. »Daran erinnere ich mich!«, verkündete ich. »Wo er sagt, wer wissen möchte, wie viel Liebe es auf der Welt gibt, braucht nur einmal einen Blick in die Ankunftshalle eines Flughafens zu werfen.«
    »Ja, natürlich haben sich dort alle furchtbar lieb«, sagte Maddy verächtlich. »Kein Wunder, schließlich waren sie monatelang getrennt. Eine Woche später, und sie streiten und zanken sich wie eh und je.«
    Jean hatte Tatsächlich … Liebe aus anderen Gründen wenig abgewinnen können. »Diese Keira Knightley ist doch ein hübsches Mädchen«, meinte sie. »Warum heiratet sie dann ausgerechnet einen Schwarzen?«
    Die Großeltern gingen zu Bett, da Jean mindestens zwei Stunden brauchte, um ihre Reisetasche aus- und wieder einzupacken, bevor sie sich endlich schlafen legen konnte. Und so saßen wir zu viert um das Feuer im Kamin unseres trauten Heims: Mutter, Vater und die beiden Kinder.
    »Wollen wir was spielen?«, rief Dillie aufgeregt.
    »Gute Idee«, bekräftigte ihr Bruder.
    »Wie wär’s mit Scharade?«
    »Das hängt von eurem Vater ab. Filme, Fernsehsendungen und so? Fällt das unter persönliche oder extrapersonale Erinnerungen?«
    »Teils, teils. Selbst wenn ich einen Titel kenne, weiß ich oft nicht mehr, ob ich den Film gesehen habe. Der weiße Hai gehört zum kollektiven kulturellen Inventar. Aber obwohl Dillie steif und fest behauptet, dass ich mit ihr in 27 Dresses war, kann ich mich beim besten Willen nicht daran entsinnen.«
    »Damit stehst du vermutlich nicht allein.«
    »Wie wär’s mit dem Wasserspiel?«, schlug Jamie vor und erntete dafür die begeisterte Zustimmung seiner Schwester.
    »Wasserspiel? Das klingt verdächtig.«
    »Man überlegt sich eine Kategorie – sagen wir, ›Erstligavereine‹ – und einer denkt an einen bestimmten Club, zum Beispiel ›Fulham‹. Dann geht er mit einem Eierbecher voll Wasser von einem zum anderen, und wer als Erster ›Fulham‹

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