Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
ging eine Toilettenspülung, und ich hörte ihre Schritte. Ich straffte die Schultern, um mich für das bevorstehende Scharmützel zu rüsten. Doch es sollte weitaus unangenehmer werden, als ich erwartet hatte. Denn auf der Treppe erschien nicht Maddy, sondern ihr neuer Lover Ralph.

16. KAPITEL
    Ich erkannte ihn, noch bevor er sich vorstellte. Ich hatte mir schon gedacht, dass es Ralph gewesen war, der Maddy mit den Bilderrahmen geholfen hatte. Jedenfalls legte sowohl die lässige Art, mit der er je zwei Stufen auf einmal nahm, als auch der leidige Umstand, dass er einen Frotteebademantel trug, den Schluss nahe, dass es sich weder um einen Fernmeldetechniker noch um einen Einbrecher handelte. Er war groß und gut und gern zehn Jahre jünger als ich – und Maddy. Er hatte nasse Haare und sah frisch gewaschen und gebügelt aus, das genaue Gegenteil des keuchenden, schweißtriefenden Irren, der im Eiltempo quer durch die halbe Stadt geradelt war.
    »Hallo, Vaughan – ich bin Ralph. Sehr erfreut.«
    Mir blieb wenig anderes übrig, als seinen Handschlag zu erwidern.
    »Maddy ist im Augenblick nicht da. Bitte entschuldigen Sie meinen Aufzug, aber ich war gerade eine Runde Laufen und musste erst mal kurz unter die Dusche.«
    »Ach. Deswegen der Bademantel. ›Hilton Hotels‹!« Ich hatte ihn keineswegs des Diebstahls bezichtigen wollen, aber genau so hörte es sich an.
    »Ja, ägyptische Baumwolle – die gab’s im Hilton Venedig preiswert zu kaufen, und da dachte ich, warum eigentlich nicht?«
    Ich fand es irritierend, dass er mit Maddy in einem Luxushotel abgestiegen war, aber um ein wenig höflichen Smalltalk kam ich wohl nicht herum.
    »Ach ja, Venedig, natürlich. War’s schön?«
    »Fantastisch! Was für eine Stadt! Waren Sie schon mal da?«
    »Äh, nein. Maddy wollte immer schon hinfahren – aber Sie wissen ja, wie so was ist …«
    Wir standen uns einen Moment lang schweigend gegenüber. Ich war mir sicher, dass die Uhr im Flur sonst nicht so laut tickte.
    »Apropos Venedig«, sinnierte ich. »Sinkt es noch?«
    »Was?«
    »Venedig. Hieß es nicht, es würde über kurz oder lang in der Lagune versinken?«
    »Keine Ahnung, ob sie das inzwischen in den Griff bekommen haben.« Ralph tat, als würde er sich konzentrieren, und wollte eben einen Fuß auf die erste Treppenstufe setzen, sodass er den Ellbogen nachdenklich aufs Knie stützen konnte, als er bemerkte, dass der Bademantel dadurch vorne auseinanderklaffte, weshalb er sich eilends eines Besseren besann. Dieses Zusammentreffen war so schon peinlich genug, da musste er mir weiß Gott nicht auch noch seinen Penis zeigen. »Obwohl, äh, selbst wenn sie es schaffen, die Stadt vor dem Versinken zu bewahren, wird ihnen der steigende Meeresspiegel einen Strich durch die Rechnung machen.«
    »Tja, ein Unglück kommt selten allein«, sagte ich kopfschüttelnd.
    »Man tut, was man kann …«
    »Ja«, bestätigte ich, obwohl mit ziemlicher Sicherheit weder er noch ich jemals besonders viel für die Rettung Venedigs getan hatten. »Früher habe ich bei Pizza Express immer die Veneziana bestellt, weil fünfundzwanzig Pence vom Verkaufspreis an den Venice in Peril Fund gingen.«
    »Echt? Wow! Und machen Sie das immer noch?«
    »Was, mir eine Veneziana bestellen? Nein – ich konnte die Sultaninen irgendwann nicht mehr sehen.«
    »Igitt, Sultaninen auf einer Pizza? Ist ja widerlich!«
    Der Hund gähnte. Es wurde langsam Zeit, das eine oder andere Wort über die peinliche Situation und seine Beziehung zu Maddy zu verlieren.
    »Also …«, sagte ich mit unheilschwangerer Stimme, und ich sah ihm an, dass er auf das Schlimmste gefasst war. »Mich würde interessieren … warum noch niemand auf den Gedanken gekommen ist, ein riesiges Flutwehr zu bauen, um die Straße von Gibraltar notfalls sperren zu können.«
    »Was?«
    »Sie wissen schon – wie die Thames Barrier, nur viel größer. Um zu verhindern, dass der Atlantik ins Mittelmeer fließt und die ganzen tiefliegenden Küstengebiete überschwemmt?«
    Auch Ralph war bewusst, dass es reinen Tisch zu machen galt; er fühlte sich offenbar nicht ganz wohl in seiner Haut, was sein Verhältnis zu den Kindern und den ganzen Scheidungs-Hickhack anging.
    »Nee – von Spanien bis Marokko sind es gut zwanzig Meilen«, sagte er. »Allein die logistischen Probleme dürften eine unüberwindliche Hürde darstellen, von den politischen und finanziellen Verwicklungen nicht zu reden …«
    Die Überheblichkeit, mit der er meine Idee

Weitere Kostenlose Bücher