Der Mann, der seine Frau vergaß
harten Tag in der Schule hinter mir habe, doch das interessiert Maddy nicht die Bohne. Dummerweise habe ich vergessen, dass sie nach zwei schier endlosen Wochen bangen Wartens die Ergebnisse einer ärztlichen Untersuchung mitgeteilt bekommen hat. Sie hatte einen Knoten in ihrer Achselhöhle entdeckt, sich eingeredet, es sei Krebs, und deshalb all meine Beschwichtigungsversuche als Zeichen meiner Gleichgültigkeit interpretiert.
»Was, zum Teufel, ist ein Non-Hodgkin-Lymphom?«, hatte ich gesagt, als sie das erste Mal davon gesprochen hatte. »Um so etwas zu diagnostizieren, reicht es doch nicht, mal kurz ins Internet zu schauen.«
»Ich habe gleich mehrere Symptome. Und ein paar Leute meinten, es könnte was Ernstes sein …«
»Was denn für Leute?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich hab’s in einem Blog zum Thema Frauen und Gesundheit gelesen.«
Sie hat meine Verachtung für medizinische Onlineforen von Anfang an als mangelndes Interesse an ihrem Wohlergehen missdeutet. Jetzt kommt sie ins Bett und legt sich demonstrativ so weit weg von mir, wie es irgend geht. Und dann fängt sie an zu schluchzen.
»Was ist? Was hast du?«
»Ich habe heute das Ergebnis meiner Krebsuntersuchung bekommen.«
Gleich zwei Schläge in die Magengrube. Zum einen die Scham, die mich urplötzlich überkommt, weil ich vergessen habe, dass heute der Tag war, vor dem sie sich so sehr gefürchtet hat. Ich hatte ihr versprochen, sie gleich nach Unterrichtsschluss anzurufen, aber diese hehre Absicht ist buchstäblich in einer Flut von Arbeit untergegangen.
Doch derlei Nebensächlichkeiten sind nichts im Vergleich zum zweiten, weitaus härteren Schlag: dem tödlichen, alles vernichtenden Schwinger, der mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel schnurstracks auf die Bretter schickt. Maddys Schluchzen entnehme ich, dass der Krebstest positiv ausgefallen ist. Trotz meiner Skepsis, was die Selbstdiagnose per Internet betrifft, trotz meiner eigenen, mehr oder minder ergebnislosen Recherchen leidet sie tatsächlich an einem Non-Hodgkin-Lymphom. Mit einem Mal sehe ich eine Zukunft vor mir, in der die Kinder ihre Mutter verlieren könnten, in der eine langsam dahinsiechende Maddy sich Operationen und Chemotherapien unterziehen muss und wir von Ungewissheit, Angst und Schmerz zerfressen werden, weil Maddy an einer Krankheit zugrunde geht, von deren Existenz wir noch bis vor wenigen Wochen keinen Schimmer hatten.
Sie weist mein vorsichtiges Angebot einer tröstenden Umarmung unwirsch zurück, und ich versuche herauszufinden, was genau der Arzt gesagt hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Mit dem Ärmel ihres Nachthemds wischt sie sich die Tränen aus den Augen. Endlich bringt sie ein paar Worte über die Lippen.
»Es war negativ. Ich habe keinen Krebs.«
»Was?«
»Die Geschwulst ist gutartig.« Wieder weint sie. »Und er hat gesagt, die anderen Symptome gingen wahrscheinlich auf einen Virus oder so etwas zurück …«
»Na, Gott sei Dank!« Ich versuche, sie in den Arm zu nehmen, doch sie stößt mich von sich und schluchzt noch heftiger als zuvor.
»Das ist doch fantastisch, Maddy! Als du angefangen hast zu weinen, dachte ich schon, du hast das Non-Hodgkin-Syndrom oder so …«
»Non-Hodgkin-Lymphom. Du weißt ja noch nicht mal, wie die Krankheit richtig heißt.«
»Ist doch auch egal, Hauptsache, du bist gesund! Himmel, du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt, so wie du geheult hast! Gott, mir fällt ein Stein vom Herzen!«
Wieder wischt sie sich mit dem Ärmel übers Gesicht, und mir fällt auf, dass sie sonst nie Nachthemden trägt; normalerweise trägt sie immer eins meiner alten, ausgeleierten T-Shirts. Vielleicht sind sie ja alle in der Wäsche.
»Du hast vergessen, mich nach dem Ergebnis zu fragen.«
»Ja, ich weiß – es tut mir wirklich leid, aber wenn ich dir erzähle, was heute in der Schule los war, verstehst du vielleicht …«
»Nicht einmal daran denkst du! Es scheint dich nicht sonderlich zu interessieren, ob ich lebe oder sterbe, ob ich Krebs habe oder nicht.«
»Aber das ist doch lächerlich, selbstverständlich interessiert es mich, ob du lebst oder stirbst. Ehrlich gesagt, habe ich von Anfang an bezweifelt, dass du Krebs hast, obwohl mir durchaus nicht entgangen ist, dass du Angst hattest.«
»Trotzdem bist du nicht mit ins Krankenhaus gekommen.«
»Weil du mich nicht darum gebeten hast.«
»Du hättest auch von selbst auf die Idee kommen können.«
»Was ist denn das für eine Logik? Wenn
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