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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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rächen. Ich spürte die Wärme ihres Schenkels und nahm ihr Parfüm trotz des Krankenhausgeruchs deutlich wahr.
    »Wenn ich mir euch so ansehe«, japste mein Vater. »Ihr seid noch immer das perfekte Paar.«
    Um noch eins draufzusetzen, drückte ich sie an mich und spielte sogar mit dem Gedanken, ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Doch das war das Signal für Maddy, sich von mir loszumachen und die Bettdecke über den bläulich verfärbten Fuß meines Vaters zu ziehen. Sie nahm wieder Platz und erzählte ihm, was die Kinder in letzter Zeit getrieben hatten, und ich setzte mich neben sie und streute hin und wieder eine hilflose Bemerkung ein.
    »Maddy ist. Ein gutes Mädchen.« Sein Atem ging jetzt schwächer. Der Besuch schien ihn größere Anstrengung zu kosten, als er zugeben mochte.
    »Wo du recht hast, hast du recht.«
    »Sie ist die Tochter. Die ich nie hatte.«
    »Schlaf jetzt, Keith«, sagte sie mit krächzender Stimme. Ich sah zu ihr hinüber und stellte erstaunt fest, dass sie Tränen in den Augen hatte und kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren.
    »Ich muss nur mal eben aufs Klo«, stieß sie mühsam hervor und stürzte in den Flur hinaus, damit der alte Mann nicht sah, dass sie weinte.
    Kurz darauf war mein Vater auch schon eingeschlafen, und ich ging nach draußen und wartete bei ihrem Wagen auf sie.
    »Hallo. Alles in Ordnung?«
    »Dein Vater ist so ein wunderbarer Mensch«, sinnierte sie. Sie hatte noch immer rote Augen.
    »Ja, ich wollte, ich könnte mich besser daran erinnern, wie er früher war.«
    Das schien Madeleine aus irgendeinem Grund nicht zu behagen, und sie schwieg.
    »Pass auf, ich muss dringend mit dir reden. Du fährst nicht zufällig über den Fluss und wärst bereit, mich mitzunehmen?« Madeleine war zu erwachsen, um mir diese Bitte abzuschlagen.
    »Das verliebte Getue hättest du dir wirklich sparen können.«
    »Ich wollte doch bloß verhindern, dass er Verdacht schöpft.«
    »Wer’s glaubt, wird selig! Wenn du das noch mal machst, kassierst du einen Tritt vors Schienbein.«
    »Ich bin für jede Zuwendung dankbar.«
    Maddy hatte sich angeschnallt und checkte ihre SMS , als sie plötzlich verwundert und leicht nervös den Blick hob. »Du … du hast Ralph kennengelernt?«
    »Äh – ja. Wir haben uns kurz unterhalten«, sagte ich und versuchte, mich gleichgültig bis leicht angewidert zu geben.
    »Ach. Und? Habt ihr euch gut verstanden?«
    »Nicht direkt.«
    »Nicht direkt? Komm schon, was hast du zu ihm gesagt? Und was hat er darauf gesagt?«
    »Das interessiert dich sowieso nicht.«
    »Was? Mein Exmann – der Vater meiner Kinder – lernt meinen neuen Freund kennen, und du denkst, das interessiert mich nicht?«
    Sie hatte den Parkschein in den Automaten geschoben, und mit einem Ruck hob sich die Schranke.
    »Na schön, also, er hat gesagt, es wäre unmöglich, in der Straße von Gibraltar ein Flutwehr zu bauen, und ich habe gesagt, es wäre durchaus einen Versuch wert, die Küsten von Südeuropa, Nordafrika und dem Nahen Osten vor dem Untergang zu retten.«
    Sie wandte den Blick von der Straße und sah mich verwirrt an.
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz.«
    »Hallo? Klimawandel? Steigende Meeresspiegel? Er stand meiner Idee einer gigantischen Sperrmauer à la Thames Barrier ziemlich ablehnend gegenüber.«
    »Soso. Dann habt ihr also nur über Unwichtiges gesprochen?«
    »Ich würde den Anstieg des Meeresspiegels nicht unbedingt als unwichtig bezeichnen. Aber ja, das große Tabuthema haben wir ausgespart. Auch wenn es im Raum stand wie ein dicker, fetter Elefant.«
    »Und was war das große Tabuthema?«
    »Na, du , was sonst?«
    »Willst du damit sagen, ich bin ein Elefant?« Ein drohender Unterton schlich sich in ihre Stimme.
    »Nein – damit will ich sagen, dass das Thema Maddy im Raum stand wie ein Elefant.«
    »Ich bin also ein Elefant – der nicht zu übersehen ist, weil ich so unglaublich dick und fett bin?«
    Es war mir ein Rätsel, wie sie es geschafft hatte, mich in die Defensive zu drängen. Wieder piepte ihr Handy, und an der nächsten Ampel las sie die neue SMS .
    »Er schreibt, du hättest ihm um ein Haar eine reingehauen!«
    »Was? Wegen einem Streit über den Anstieg des Meeresspiegels? Wie kann man nur so paranoid sein? Abgesehen davon schlage ich prinzipiell keine Männer in Bademänteln!« Mit diesem nebensächlichen Detail hatte ich sie in Verlegenheit bringen wollen, und das war mir offenbar erfolgreich gelungen. »Darf ich daraus schließen,

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