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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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dabei?«
    Das war das Zauberwort. Damit stand eindeutig fest, dass es tatsächlich zum Geschlechtsverkehr kommen würde.
    »Äh, tut mir leid, ja, ich hab eins im Portemonnaie.« Ich griff nach meiner abgelegten Hose und suchte hektisch nach dem Tütchen, das Gary mir vor ein paar Tagen zugesteckt hatte. »Was allerdings nicht heißt, dass ich automatisch davon ausgegangen wäre – na ja, du weißt schon …«
    »Was?«
    »Ich möchte nicht, dass du auf die Idee kommst, ich hätte das Kondom bloß eingesteckt, weil ich dachte, du willst mit mir ins Bett …«
    »Scheißegal. Schnell, streif es über …«
    »Schon dabei.«
    Ich zerrte an der Verpackung, bekam sie aber nicht auf. In meiner akuten Verzweiflung versuchte ich sie mit den Zähnen aufzureißen. Ich schlug die Hauer in die gezackte Folienkante und verzog angewidert das Gesicht, als ich den Geschmack von sterilem Gleitmittel auf der Zunge spürte. Als ich das Ding in Händen hielt, kam es mir plötzlich furchtbar albern vor. »Und deswegen das ganze Theater?«, dachte ich. »Ein klebriges, verschrumpeltes Stück Polyethylen?« Doch meine Geringschätzung diente einzig und allein dazu, meine Angst zu kaschieren. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dem Ding anfangen sollte. Kürzlich hatten die Schüler der 9. Klasse im Sexualkundeunterricht gezeigt bekommen, wie man ein Kondom überstreifte, aber es hätte vermutlich einen merkwürdigen Eindruck gemacht, wenn auch ich dort aufgekreuzt wäre, um mich in dieser hohen Kunst zu üben.
    Mit etwas Geduld und Spucke bekam ich die Sache schließlich in den Griff, und Suzanne und ich konnten zur Paarung schreiten. Suzanne legte sich auf den Rücken, und ich schickte mich an, den »Liebesakt« mit ihr zu vollziehen. Obwohl, »Liebe« war vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen. Ich kannte sie kaum, fand sie halbwegs sympathisch; mehr als ein »Sympathieakt« war also nicht drin. Die Gymnastikmatten verströmten einen modrigen Kautschukgeruch, und an der obersten klebte ein schwarz verfärbter Kaugummi. Und so beugte ich mich denn über sie und klopfte ein paarmal ungeschickt an ihre Pforte, bis sie mir endlich auftat und ich wieder zum Manne ward. »Komisch, aber in dem berühmten Kipling-Gedicht steht darüber kein Wort«, dachte ich, während ich mich im Glanze meines Ruhmes sonnte. Es war vollbracht!
    »Brrr! Brrr! Immer langsam mit den jungen Pferden, Vaughan.«
    »’tschuldigung … Ist es so besser?«
    »Schön sachte – so ist’s gut.«
    Ich war unendlich dankbar für die Handreichungen dieser erfahrenen älteren Frau, auch wenn sie gut zehn Jahre jünger war als ich. Was zwischen uns geschah, war wider Erwarten erstaunlich intim; obwohl ich Suzanne kaum kannte, lagen wir nackt und ineinander verschlungen in unserem Versteck.
    Ich gab mir alle Mühe, es etwas langsamer angehen zu lassen, aufmerksam und rücksichtsvoll zu sein, indem ich sie an den verschiedensten Stellen ihres Körpers sanft stimulierte, wenngleich Suzanne ihren Ellbogen bislang wohl nicht zu ihren erogenen Zonen gezählt hatte. Ich saß fest im Sattel und übernahm souverän die Führung. Dummerweise schien sich mein Fuß im Netz eines Fußballtors verfangen zu haben, aber davon ließ ich mich nicht beirren. Ich hatte tatsächlich Sex – ein irres Gefühl! Doch sosehr ich auch zog und zerrte, ich bekam den Fuß nicht frei. Ich drehte mich um, sah, dass er sich völlig in dem Netz verheddert hatte, und fragte mich, ob ich es trotz dieses leichten Handicaps sicher über die Ziellinie schaffen würde. Während ich mich scheinbar auf Suzanne konzentrierte, nahm ich meine ganze Kraft zusammen und versuchte ein letztes Mal, meinen Fuß aus der Schlinge zu befreien, als das eiserne Torgestell plötzlich ins Wanken geriet und mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf dem Boden landete.
    »Gott, was war denn das?!« Sie war aufgesprungen, aus Angst, von einem der Metallholme erschlagen zu werden, und ich blieb verdattert zurück.
    »Entschuldige! Entschuldige! Das Tornetz hatte sich in meinem Fuß verheddert. Habe ich dich erschreckt?«
    »Meinst du, die Jungs in der Pförtnerloge haben was gehört?«
    »Das glaube ich kaum. Haben die nicht immer das Radio laufen? Wollen wir weitermachen?«
    »Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie das Radio anhatten.«
    »So laut war es nun auch wieder nicht«, behauptete ich, obwohl mir die Ohren klingelten und ich ernsthaft befürchtete, dass meine Trommelfelle bluteten. »Sollen wir einfach da weitermachen, wo

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