Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
uns angeregt unterhielten und dabei das eine oder andere Gläschen leerten, dämmerte mir, dass ich vermutlich die Nacht mit ihr verbringen würde. Suzanne war eine schlanke, hochgewachsene Australierin, die an unserer Schule Sport und DG unterrichtete. Vorher war sie Tänzerin gewesen, wovon nicht nur ihre tadellose Körperhaltung, sondern vor allem ihre Vorliebe für Strickleggings zeugte. Wo bei anderen Frauen das Dekolleté saß, gab Suzannes tief ausgeschnittenes Top den Blick frei auf ein knochiges Brustbein, das in mir den Drang weckte, dagegenzuklopfen, um mich zu vergewissern, ob es tatsächlich so hart war, wie es aussah.
    Ich hatte sie von Anfang an recht attraktiv gefunden, doch erst jetzt, nach diversen Bieren und einer Flasche Rotwein, war ich in der Lage, ihre umwerfende Schönheit und ihren verführerischen Charme gebührend zu würdigen. Je länger wir uns unterhielten, desto größer wurde meine Gewissheit, dass ich noch heute Nacht mit ihr schlafen musste. Als sie mir in packenden Worten schilderte, wie sie dafür gesorgt hatte, dass schwächere Schüler mit einer Eins in Tanz schlechte Noten in den Hauptfächern ausgleichen konnten, schmolz ich regelrecht dahin; als sie mir dann auch noch erzählte, dass man sie bei der Neubesetzung der stellvertretenden Schulleitung zu Unrecht übergangen hatte, war es endgültig um mich geschehen.
    »Hast du nicht gesagt, du wolltest am Sonntag auf den Greenwich Market?«, fragte ich. »In meinem Schreibtisch liegt ein Stadtplan. Wenn du möchtest, kannst du ihn dir gerne leihen.«
    »Ich habe einen Stadtplan!«, stieß sie hervor und bereute es sofort, als ihr schwante, dass ich ihr nur einen Vorwand hatte liefern wollen, um das Pub gemeinsam zu verlassen.
    »Ach.« Ich hatte nicht die Absicht, gleich an der ersten Hürde zu scheitern. »Äh, aber ich habe einen Stadtplan mit Spiralbindung«, beharrte ich, »da hast du Greenwich im Handumdrehen gefunden, ohne dich mit der Faltung herumschlagen zu müssen …«
    »Ach, ein Stadtplan mit Spiralbindung ? Nein, so einen habe ich nicht. Das wäre echt hilfreich …«
    »Dann brauchst du dir das Planquadrat nicht zu merken …«, fuhr ich fort, als handele es sich um eine der mühsamsten und zeitraubendsten Angelegenheiten, die man sich überhaupt vorstellen konnte.
    »… und das Ding dann jedes Mal wieder auseinanderfalten, bla bla bla – ja, das kann schon ziemlich lästig sein …«
    Wir schwiegen einen Augenblick und überlegten krampfhaft, wie sich das zweite Hindernis aus dem Weg räumen ließe.
    »Das Dumme ist nur, auf meinem Schreibtisch herrscht das reinste Chaos, es könnte also eine Weile dauern, bis ich den Plan gefunden habe.« Ich musste meine ganze Konzentration zusammennehmen. »Also, was hältst du davon, wenn du mit den Kollegen noch einen kleinen Absacker nimmst, und dann treffen wir uns in zehn Minuten in der Schule?«
    Kofi und John, die beiden Sicherheitsleute, waren es gewohnt, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit Lehrer ein und aus gingen, um noch irgendwelche E-Mails zu beantworten oder Hausarbeiten zu korrigieren, und schienen deshalb auch nicht weiter verwundert, als sie sahen, wie ich gegen Mitternacht an der Pförtnerloge vorbeischlich. Sie waren höflich und zuvorkommend, aber keineswegs geneigt, sich von einem Mitglied des Lehrkörpers daran hindern zu lassen, die ganze Nacht hinter ihrem Tresen zu sitzen und das Bezirksblättchen zu lesen.
    »’n Abend, Kofi. ’n Abend, John.«
    »Hallo, Mr. Vaughan, Sir.«
    »Meinen Sie nicht, Sie arbeiten zu viel, Sir?«
    »Aha, ha, tja, Arbeit, Arbeit, Arbeit! Ich hab was vergessen und wollte nur schnell … Dauert nicht lange.«
    Ich zog meinen Dienstausweis durch das Lesegerät, die Tür öffnete sich, und ich marschierte die Treppe hinauf. Ich kam mir vor wie ein Eindringling. So still hatte ich das Gebäude noch nie erlebt. Das Reinigungspersonal hatte Feierabend, und die Deckenleuchten waren heruntergedimmt und gaben ein leises Brummen von sich, das ich bei Tag noch nie bemerkt hatte. Auf der Lehrertoilette wusch ich mich mit einem nassen Papierhandtuch unter den Achseln und fuhr mir mit feuchten Fingern durchs schüttere Haar. Ich betrachtete mich in dem gesprungenen Spiegel und harrte nervös der aufregenden Dinge, die da kommen würden.
    Im Lehrersprechzimmer zog ich den Stadtplan aus der Schublade. Er würde mir den Weg zu meiner ersten sexuellen Erfahrung weisen: vom Reden zum Knutschen, vom Knutschen zum Fummeln und vom Fummeln

Weitere Kostenlose Bücher