Der Mann, der seine Frau vergaß
sich ihr Fußpflegetermin vielleicht von Montag auf Mittwoch verlegen ließe. Ich bezweifelte, dass man derlei je in einem Pornofilm zu hören bekam; man stelle sich vor: ein muskelbepackter, eingeölter Fitnesstrainer beim Hochleistungssex mit einer silikonverstärkten Wasserstoffblondine, die auf der Zielgeraden plötzlich hervorstößt: »O nein – ich habe vergessen, Mum eine Geburtstagskarte zu schicken!«
Aber damit wollte Maddy mir wohl einfach sagen, dass sie sich mit mir wohlfühlte, dass sie mich verdammt gut kannte. So sehr hatten wir uns aneinander gewöhnt – wir waren mit sämtlichen Schrullen und Eigenarten des anderen vertraut. Wie die beiden Bäume, die Seite an Seite in unserem Garten standen und deren Stämme im Lauf der Jahrzehnte miteinander verwachsen waren, sodass sie einander Halt und Stütze bieten konnten.
Und dann kam mir noch eine Erinnerung. Sie drehte sich um eine Auseinandersetzung, die damit begonnen hatte, dass Maddy einen Duschvorhang aus Plastik wegwerfen wollte, während ich der Ansicht war, er müsse nur einmal gründlich gereinigt werden.
»Du meinst, ich müsste ihn nur mal gründlich schrubben«, sagte sie. »Du würdest nämlich nicht im Traum auf die Idee kommen, den Duschvorhang selbst sauber zu machen.«
»Weil man ihn nicht sauber machen muss. Er wird schließlich jeden Tag geduscht.«
»Ja, du duschst und ich bade jeden Tag, und du wolltest die Dusche putzen. Warum also hast du den Duschvorhang nicht gleich mit sauber gemacht?«
»Weil ich es vergessen habe, darum. Ich habe vergessen, den Duschvorhang abzuwischen, als ich die Dusche geputzt habe. Ich habe es vergessen, genau wie alles andere, was ich angeblich ständig vergesse …«
Doch darum ging es bei der Auseinandersetzung nicht: In Wahrheit ging es um Sex. Am Abend zuvor hatte ich mit ihr schlafen wollen, und sie hatte Nein gesagt, dabei hatten wir uns seit Wochen nicht einmal mehr angefasst, und ich war wütend und frustriert.
»Das bisschen Dreck am Duschvorhang entgeht dir nicht, aber deinen eigenen Mann, den übersiehst du«, sage ich, worauf der Konflikt eskaliert.
»Was?«
»Das bisschen Schimmel in der Dusche ist dir wichtiger als ich.«
»Warum musst du eigentlich immer gleich so eklig werden?«
»O Gott, sieh nur, die Zahnpastatube ist offen, weil Vaughan vergessen hat, sie wieder zuzuschrauben!«, und ich laufe zur Zahnpastatube und schraube sie mit großer Geste zu. »O Gott, die Klobrille ist hochgeklappt, weil Vaughan vergessen hat, sie runterzuklappen.« Ich knalle den Klodeckel zu. »Wenigstens habe ich im Gegensatz zu dir nicht vergessen, dass ich mit jemandem verheiratet bin!«
Ich datierte diesen Vorfall auf etwa ein Jahr vor unserer Trennung. Der Streit ging mir immer wieder durch den Kopf, und ich schämte mich, weil ich meiner sexuellen Frustration auf so übertriebene Art und Weise Luft gemacht hatte. Im Nachhinein wurde mir klar, dass Sex für eine harmonische Ehe zu wichtig ist, um ihn allein Mann und Frau zu überlassen. Es gibt Spezialisten, die unsere Alarmanlagen und Fensterschlösser überprüfen; wir unterziehen uns alle zwei Jahre einem Gesundheitscheck, gehen alle sechs Monate zum Zahnarzt und lassen den Heizkessel turnusmäßig warten, damit er uns nicht um die Ohren fliegt. Und so müsste es eigentlich auch einen Sozialarbeiter geben, der verheiratete Paare zu geregeltem Geschlechtsverkehr anhält. »Hmmm … wie ich sehe, haben Sie seit zwei Wochen nicht mehr miteinander geschlafen. Das gebe ich jetzt in den Zentralcomputer ein, und Sie erhalten dann ein offizielles Schreiben über die Risiken und Nebenwirkungen eines unerfüllten Sexuallebens.«
Die Scheidungspapiere mussten unterschrieben werden. Das war ich Maddy schuldig. Ich zog meine Schuhe an, streifte eine Jacke über und sah rasch noch einmal in den Spiegel, bevor ich mich der Welt dort draußen präsentierte. Dann zog ich die Jacke wieder aus, schleuderte die Schuhe von den Füßen, duschte und rasierte mich. Nicht ohne zuvor den Duschvorhang sauber zu wischen.
Meine Wiedereingliederung in die Gesellschaft blieb von meinen Mitmenschen weitgehend unbemerkt: Abendliche Einkaufsbummler würdigten mich keines Blickes, und die vorbeihastenden Pendler hatten es viel zu eilig, nach Hause zu kommen, um von dem einsamen Mann Notiz zu nehmen, der ziellos durch die Straßen wanderte. Ich musste an die Zeit vor meiner Wiedergeburt denken, an das Gefühl des Abgeschottetseins vom Rest der Welt, als wüssten alle
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