Der Mann, der sich in Luft auflöste
Ich erinnere mich sehr gut an ihn.«
»Sprach das lebende Lochkartenregister«, brummte Kollberg. Er erhob sich schwerfällig und starrte Martin Beck an. »Was machst du denn noch hier?«, fragte er. »Fahr gefälligst in deinen Urlaub und überlass die Verbrechen der unteren sozialen Schichten uns! Wohin fährst du eigentlich? In die Schären?« Martin Beck nickte.
»Klug«, sagte Kollberg. »Unsereins ist zuerst nach Mamaia gefahren und wurde gebraten. Dann kommt man nach Hause und wird gekocht. Spitze!
Und du hast da draußen kein Telefon?«
»Nein.«
»Ausgezeichnet. Ich gehe jetzt jedenfalls duschen. Also los. Nun hau schon ab!«
Martin Beck überlegte. Der Vorschlag hatte was für sich. Er könnte zum Beispiel einen Tag früher fahren. Er zuckte mit den Schultern.
»Okay, überredet. Also macht's gut, Jungs. Bis in einem Monat!«
2
Für die meisten war der Urlaub bereits zu Ende, und die augustheißen Straßen Stockholms füllten sich allmählich mit Menschen, die ein paar regnerische Juliwochen in Zelten, Wohnwagen und Sommerpensionen verbracht hatten. In den vergangenen Tagen war die U-Bahn wieder gedrängt voll gewesen, aber jetzt, mitten in der Arbeitszeit, saß Martin Beck fast allein im Wagen. Er sah das staubige Grün draußen und freute sich, dass endlich sein langersehnter Urlaub begonnen hatte.
Seine Familie war schon seit einem Monat in den Schären. In diesem Sommer hatten sie das Glück gehabt, von einem entfernten Verwandten seiner Frau ein Häuschen mieten zu können, das ganz allein auf einer kleinen Insel im mittleren Schärengürtel lag. Der Verwandte war ins Ausland gefahren, und das Häuschen gehörte ihnen, bis die Kinder wieder zur Schule mussten.
Martin Beck kam in seine leere Wohnung, ging schnurstracks in die Küche und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. An der Spüle trank er ein paar Schluck im Stehen und nahm die Flasche dann mit ins Schlafzimmer. Er zog sich aus und ging, nur mit Unterhosen bekleidet, auf den Balkon. Die Füße auf dem Geländer, saß er eine Weile in der Sonne, während er das restliche Bier trank. Die Hitze draußen war fast unerträglich, und als die Flasche leer war, stand er auf und kehrte in die relative Kühle der Wohnung zurück.
Er schaute auf die Uhr. Sein Schiff ging in zwei Stunden. Die Insel lag in einem Bereich der Schären, zu dem die Verbindung mit der Stadt von einem der wenigen übriggebliebenen alten Dampfschiffe aufrechterhalten wurde. Das war für Martin Beck fast das Beste an ihrem günstigen Sommerurlaub. Er ging in die Küche und stellte die leere Flasche in der Speisekammer auf den Fußboden. Alles Verderbliche war bereits entsorgt, aber er kontrollierte sicherheitshalber noch einmal, ob er nichts vergessen hatte. Dann zog er den Stecker des Kühlschranks aus der Steckdose, stellte die Eiswürfelschalen in den Ausguss und sah sich noch einmal um, bevor er die Küchentür schloss und ins Schlafzimmer ging, um zu packen.
Das meiste, was er für sich brauchte, hatte er bereits bei einem Wochenendbesuch mit auf die Insel genommen. Seine Frau hatte ihm eine Liste der Dinge gegeben, die sie und die Kinder noch haben wollten, und als er alles beisammenhatte, waren zwei Taschen voll. Weil er außerdem noch einen Karton mit Lebensmitteln im Selbstbedienungsladen holen sollte, beschloss er, mit dem Taxi zum Schiff zu fahren.
An Bord war reichlich Platz, und als Martin Beck seine Taschen und den Karton abgestellt hatte, setzte er sich an Deck. Die Hitze flimmerte über der Stadt, und es war nahezu windstill. Das Grün auf dem Karl XII.s torg hatte seine Frische verloren, und die Fahnen des Grand Hotels hingen schlaff herab. Martin Beck schaute auf die Uhr und wartete ungeduldig darauf, dass die Männer da unten endlich die Gangway einzogen.
Als er die ersten Vibrationen der Maschine spürte, erhob er sich und ging nach achtern. Während das Schiff vom Kai zurücksetzte, lehnte er sich über die Reling und sah zu, wie die Schiffsschrauben das Wasser zu grünweißem Schaum schlugen. Die Dampfpfeife blies durchdringend, und als das Schiff mit bebendem Rumpf den Steven in Richtung Saltsjön wendete, stand Martin Beck an der Reling und hielt das Gesicht in die frische Brise. Er fühlte sich plötzlich frei und sorgenlos, und für einen kurzen Augenblick war ihm wieder so zumute wie damals als Junge am ersten Tag der Sommerferien. Er aß im Speisesaal zu Abend und setzte sich dann wieder an Deck.
Bevor das Schiff zu dem Anlegesteg
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