Der Mann, der sich in Luft auflöste
weiter und versuchte, Kollbergs Antworten in dem Dialog zu überhören.
»Ja, ich komme gleich. - Ja, in ein paar Minuten, das habe ich doch gesagt. - Morgen? Du, das wird wohl schwierig ...«
Martin Beck zog sich auf die Toilette zurück und kam erst wieder ins Zimmer, als er Kollberg auflegen hörte.
»Wir sollten Kinder haben«, sagte Kollberg. »Die Ärmste, sitzt ganz allein da draußen und wartet auf mich.«
Sie waren erst ein halbes Jahr verheiratet, also würde sich das schon noch einrenken.
Kurz darauf kam das erwartete Telefonat.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte Szluka. »Am Samstag ist es schwieriger, hier Leute zu erwischen. Sie hatten aber recht.«
»Was den Pass betrifft?«
»Ja. Ein belgischer Student hat seinen Pass im Hotel Ifjüsäg als verloren gemeldet.«
»Wann?«
»Das lässt sich im Moment nicht feststellen. Er kam am Freitag, dem 22.
Juli, nachmittags ins Hotel. Alf Matsson traf am Abend desselben Tages ein.«
»Das sieht nach Übereinstimmung aus.«
»Ja, nicht wahr? Die Schwierigkeit ist folgende: Dieser Mann, Roeder heißt er, besucht Ungarn zum ersten Mal und kennt die Verhältnisse hier nicht. Er findet es sogar ganz natürlich, dass er den Pass abgeben muss und ihn erst beim Verlassen des Hotels zurückbekommt. Sagt er jedenfalls. Weil er drei Wochen bleiben wollte, dachte er nicht mehr daran und fragte erst am vergangenen Montag wieder nach seinem Pass, mit anderen Worten, an dem Tag, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Er brauchte ihn angeblich, um ein Visum nach Bulgarien zu beantragen. Diese Angaben stammen selbstverständlich alle von ihm.«
»Sie können richtig sein.«
»Ja, natürlich. An der Hotelrezeption sagte man sofort, Roeder habe seinen Pass am Morgen nach seiner Ankunft zurückerhalten, also am 23., beziehungsweise am selben Tag, an dem Matsson vom Ifjüsag ins Hotel Düna umzog - und verschwand. Roeder schwört aber, dass er seinen Pass nicht bekommen hat, und das Hotelpersonal ist sich ebenso sicher, den Pass am Freitagabend in sein Fach getan zu haben, sodass er ihn folglich bekommen haben muss, als er am Samstagmorgen von seinem Zimmer herunterkam. Sie versicherten, dass sie es immer so machten.«
»Kann denn jemand bezeugen, dass Roeder ihn tatsächlich bekommen hat?«
»Nein. Aber das wäre wohl auch zu viel verlangt. Um diese Jahreszeit kommt es oft vor, dass die Leute an der Rezeption bis zu fünfzig ausländische Pässe am Tag entgegennehmen und ebenso viele zurückgeben. Außerdem sind es nicht dieselben Personen, die die Pässe am Abend in die Fächer legen und am nächsten Morgen aushändigen.«
»Haben Sie diesen Roeder gesehen?«
»Ja. Er wohnt noch immer in dem Hotel. Die Botschaft ist dabei, seine Heimreise zu arrangieren.«
»Und? Ich meine, kommt es hin?«
»Er hat einen Bart. Ansonsten sind sie sich eigentlich nicht sehr ähnlich, den Bildern nach zu urteilen. Aber leider ist es ja oft so, dass die Leute ihren alten Passfotos nicht ähnlich sehen. Jemand könnte den Pass durchaus irgendwann in der Nacht aus dem Fach gestohlen haben.
Nichts einfacher als das. Der Nachtportier ist allein und muss sich natürlich manchmal umdrehen oder seinen Platz verlassen. Und die Passkontrolleure haben nicht die Zeit, Gesichtsstudien zu betreiben, bei den Massen von Touristen, die über die Grenze ein- und ausreisen. Wenn man den Gedanken durchspielt, dass Ihr Landsmann Roeders Pass an sich genommen hat, kann er damit durchaus das Land verlassen haben.«
Es blieb eine Weile still. Dann sagte Szluka: »Irgendjemand hat es jedenfalls getan.« Martin Beck richtete sich auf. »Sind Sie sicher?«
»Ja. Ich habe vor zwanzig Minuten darüber Bescheid bekommen.
Roeders Ausreisegenehmigung liegt uns vor. Sie wurde am Samstag, dem 23. Juli, nachmittags bei der Grenzpolizei in Hegyeshalom abgegeben.
Von einem Reisenden im Schnellzug Budapest-Wien. Und dieser Mann kann nicht Roeder gewesen sein, denn der ist noch hier.«
Szluka machte erneut eine Pause. Dann sagte er zögernd: »Ich nehme an, das bedeutet, dass Matsson Ungarn verlassen hat.«
»Nein«, sagte Martin Beck. »Er ist überhaupt nicht in Ungarn gewesen.«
24
Martin Beck schlief schlecht und stand früh auf. Die Wohnung in Bagarmossen war trist und ausgestorben, und all die vertrauten Gegenstände wirkten belanglos und gleichgültig. Er duschte. Rasierte sich. Nahm einen frisch gebügelten grauen Anzug aus dem Schrank. Zog sich sorgfältig und korrekt an und ging auf
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