Der Mann, der starb wie ein Lachs
zupfte die Maske zurecht, so dass sie besser am Kinn saß, und justierte das Gummiband in ihrem Nacken. Sie ließ es mit einem leichten Gefühl der Unterlegenheit geschehen, als wäre sie ein kleines Kind. Dann richtete sie sich auf und versuchte dieses Gefühl abzuschütteln. Sog den Geruch ihrer eigenen Atemzüge durch den stickigen Fiberfilter ein, warmer Speichel, relativ teurer Lippenstift.
Sie befanden sich in einem kleinen Schlafzimmer vor einem Bett der breiteren Sorte, hundertzwanzig Zentimeter, wie sie schätzte. Kopf- und Fußteil waren aus Schmiedeeisen mit gedrehten Verzierungen. Das Bettzeug war zusammengeknüllt, das Laken weiß, der Bettüberzug zeigte ein verwaschenes Muster einzelner Sommerblumen auf einem hellgrünen Hintergrund. Jetzt waren sie von Blut durchtränkt, das dunkel geworden und geronnen war. Auch auf der Tapete befanden sich Blutspritzer, kleine Explosionen von Punkten, die nach außen hin weniger wurden – wie Magmaexplosionen bei einem Vulkanausbruch, dachte sie bei sich.
Die Leiche war inzwischen abtransportiert worden. Nur ihre Konturen waren noch da, markiert mit einem hennafarbenen Plastikband, das auf die Laken geklebt worden war. An der Längswand gab es ein Fenster und eine Tür, die auf eine verglaste Terrasse führte. Therese machte Anstalten, die Tür zu öffnen, wollte Luft hereinlassen, aber er hielt sie entschlossen zurück.
»Lass die Fliegen draußen«, befahl er.
Sie sah eine blau schimmernde Schmeißfliege eifrig herumkrabbeln und Eier zwischen irgendwelche dunklen, unförmigen Klumpen legen und sah ein, dass er Recht hatte.
Es war nicht das Schlimmste, was sie je gesehen hatte, absolut nicht. Aus den Sedimenten ihres Inneren löste sich das Bild des Minibusses bei Märsta heraus, zusammengedrückt wie eine Bierdose in einer Herbstnacht. Vor sich sah sie noch die funkensprühenden Trennschleifer des Rettungsdienstes. Wie es ihnen schließlich gelungen war, das Dach aufzubrechen. Sie hatte ihre Taschenlampe gehoben. Direkt in die Hölle geleuchtet, in einen klebrigen Wahnsinn. Und dann gesehen, wie sich etwas zu bewegen begann, wie ein Körper in dem triefenden Kindersitz mit dem Kopf zu wackeln begann. Hatte ihn dann gurgeln gehört. Als wäre ihm die Kehle zugedrückt worden, als versuchte er verzweifelt zu atmen. Oder zu weinen.
Therese schluckte das Bild hinunter. Weg, weg. Sie spürte, wie sich die Feuchtigkeit hinter der Atemmaske verdichtete, der Schweiß, das Kondenswasser. Das hier war nicht das Schlimmste, was sie je gesehen hatte, aber der Raum hatte etwas Verwestes an sich. Etwas Abstoßendes. Man wollte so schnell wie möglich fort von hier.
»Spürst du es auch?«, flüsterte Ånderman.
Sie sah ihn verwundert an.
»Den Wahnsinn«, fuhr er fort. »Das Maßlose. Alles ist irgendwie … zu viel …«
»Ein panischer Täter«, begann sie mechanisch herunterzuleiern.
»Nicht zu schnell, Therese, nicht zu schnell. Was siehst du? Sag mir nur, was du siehst.«
Ihr war schwindlig, als bekäme sie durch die Maske zu wenig Sauerstoff. Blinkte ein paar Mal mit den Augen. Hustete unterdrückt.
»Ein blutiges Bett«, sagte sie. »Ein ausufernder Blutfleck am Kopfende, ein konzentrierterer im Mittelteil des Bettes. Vereinzelte Flecken auf der Tapete und dem Fußboden. Ein Nachttisch mit der Abendzeitung und einem halb gelösten Kreuzworträtsel, ein Bleistiftanspitzer, ein Wasserglas mit Zahnprothese. Die Gardinen sind vorgezogen. Die Schranktüren geschlossen. Kein Zeichen von Beschädigung. Keine Mordwaffe.«
»Die steckte noch in ihm«, unterbrach Ånderman sie.
Auf dem Laken sah sie die aufgeklebte Kontur eines länglichen Schaftes.
»Sie hat ihm vermutlich selbst gehört. Ich habe sie ins Labor schicken lassen.«
»Aber was war es? Eine Axt?«
»Nein«, sagte er leise. »Ein Fischspeer.«
»Ein Fischspeer?«
»Ein altes Fischereigerät. Es sieht ein bisschen so aus wie eine riesige Gabel, früher hat man damit Lachse gefangen. Wir sind uns sicher, dass es unten im Keller gehangen hat, im Partyraum.«
»Ein spontaner Mord?«, setzte Therese erneut an. »Der Täter bricht ein, wird entdeckt, er greift sich das erstbeste Gerät und sticht sein Opfer nieder.«
»Aber du hast das hier nicht gesehen.«
Ånderman beugte sich zum Fußboden hinunter und deutete auf einige Bluttropfen.
»Die sind verschmiert«, sagte Therese. »Er ist reingetreten.«
»Aber fällt dir nichts daran auf? Es gibt keinen Schuhabdruck. Alle sind breit und
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