Der Mann, der's wert ist
beim zehnten Klingeln verlor ich die Beherrschung... »Hällouh, hier
Angela. Ist Benedikt da?«
Angela! — »Nein, er ist beim
Volleyball.«
»Sehr gut«, sagte Angela, »ich
hab nämlich eine schlechte Nachricht.«
»Ist Benedikt was passiert?«
»Nicht direkt«, sie machte eine
bedeutungsschwangere Pause: »Uns ist was passiert.«
»Uns?!«
»Benedikt hat unseren
Wettbewerb fürs Altersheim total versiebt. Sein Entwurf ist nicht mal unter den
ersten fünf. Die Ergebnisse kommen offiziell erst am Montag raus, Daddy hat es hintenrum
gesteckt bekommen.«
»Das ist ja eine Katastrophe!«
»Exakt das meint Daddy auch.«
In Angelas Stimme war ein drohender Ton.
»Bitte, ruf in einer Stunde
wieder an, da ist Benedikt zurück.«
»Ich steh nicht drauf,
schlechte Nachrichten zu überbringen. Das darfst du ihm selbst sagen.« Sie
kicherte dämlich. »Im alten Griechenland hat man die Überbringer schlechter
Nachrichten geköpft.« Sie kicherte dämlicher als vorher: »Ich brauch mein
Köpfchen noch. Tschüsilein.«
Sie war schon immer eine
heimtückische, blöde, berechnende Schlange gewesen. So ein Scheiß! Eigentlich
war es richtig, daß ich Benedikt die Nachricht überbrachte, schließlich bin ich
die wichtigste Person in seinem Leben. Andererseits: Wenn Angela nicht die
Überbringerin schlechter Nachrichten sein wollte, um sich bei Benedikt nicht
unbeliebt zu machen, warum dann ich? Oh Angela, so schlau wie du bin ich auch.
Ich stand noch beim Telefon, als Nora kam.
»Ist Benedikt schon da?«
»Nein.« Natürlich sagte ich ihr
kein Wort von Angelas Anruf. Als er kam, war Nora sofort an der Tür. »Benedikt,
du glaubst nicht, wie ich mich bei diesem Mistwetter beeilen mußte, um
rechtzeitig hier zu sein. Medi läßt dir ganz, ganz herzliche Grüße ausrichten,
sie fährt mit ihrem herzallerliebsten Verehrer nächste Woche nach Frankreich,
er hat sie eingela...«
Hinter Noras Rücken winkte ich
Benedikt zu, versuchte zu lächeln und sagte halblaut: »Du sollst Angela
anrufen, es ist dringend.«
Benedikt sah erschrocken aus.
»Hat sie vom Büro angerufen? Wann?«
»Vorher. Ich weiß nicht, von
wo.«
»Sie muß von zu Hause angerufen
haben. Sie war heute gar nicht im Büro.« Er holte aus seinem Aktenkoffer sein
Adreßbuch und ging ins Wohnzimmer zum Telefon. Nora hinterher. »Medis
Herzallerliebster...«
»Laß mich bitte allein
telefonieren!« Benedikt war reichlich gereizt.
»Aber selbstverständlich.« Nora
verließ sofort das Wohnzimmer und machte vor meiner Nase die Tür zu. Sie ging
in die Küche.
Ich stand mit klopfendem Herzen
vor der Tür. Ich hatte einen Kloß im Hals. Mehr als einen Kloß — schließlich
war ich von der Entscheidung dieser Jury genauso betroffen. Nun war es wieder
nichts mit meinem Job, jedenfalls vorerst. Was sollte jetzt aus mir werden?
Durch die Wohnzimmertür konnte
ich fast jedes Wort von Benedikt verstehen. »Um Gottes willen«, rief er, »was
für Konsequenzen?« Und: »Bitte, mach mir nicht noch mehr Angst.« Und: »Du
meinst, da ist nichts dran zu ändern?« Und nach einer Weile: »Ich verstehe, daß
das eine endgültige Entscheidung ist, trotzdem... ich dachte...« Am liebsten
wär ich zu ihm gerannt, hätte ihn getröstet. Ich atmete auf, als ich Benedikt
lachen hörte, kurz darauf legte er auf.
Als er in den Flur kam, lachte
er nicht mehr. Er setzte sich auf die Treppe und hielt sich die Hände vors
Gesicht. Ich setzte mich neben ihn, legte meinen Arm um ihn. »Sei nicht
traurig, der nächste Auftrag kommt bestimmt.«
»Ach ja, der nächste Auftrag«,
Benedikt preßte die Hände vors Gesicht, »aber was machen wir jetzt? Was machen
wir jetzt? Und was wird jetzt aus dir?«
»Sollen wir nicht doch lieber
Steuern sparen?« sagte ich.
»Was meinst du denn damit?«
Und weil er so fragte, wagte
ich nicht zu sagen, was ich damit gemeint hatte.
Und zum zweitenmal an diesem
Tag dachte ich: Der sicherste Weg zum Glück ist nicht unbedingt der beste. Weil
Glück nie was Endgültiges ist, man muß es sich jeden Tag erarbeiten.
33. Kapitel
Was tun? Wir überlegten das
ganze Wochenende. Benedikt meinte, es hätte wenig Sinn, würde ich jetzt Himmel
und Hölle in Bewegung setzen, um irgendwo einen Job zu finden, in ein paar
Wochen könnte alles ganz anders aussehen, und so eilig sei es nicht. Meinen
Onkel jetzt direkt auf meinen Job anzusprechen, sei völlig unmöglich, Benedikt
fürchtete, Onkel Georg könnte möglicherweise einen Wutanfall bekommen und
Weitere Kostenlose Bücher