Der Mann, der's wert ist
Klotür, mit dem Rücken zu ihr, damit ich sie nicht ansehen mußte:
»Wo ist Lara-Joy?«
»Sie muß hier in der Wohnung
sein, rausgegangen ist sie nicht.« Lara-Joy saß im Bett vor dem Fernseher und
aß Kekse. Es lief die Sesamstraße, und das Krümelmonster sang ein Kekslied.
Lara-Joy lachte mich an und schenkte mir einen Schokokeks.
»Wen hast du am liebsten aus
der Sesamstraße?« fragte ich. »Am liebsten hab ich zuerst Mama und dann das
Krümelmonster«, sie lachte, und ich lachte auch.
Als Katharina auf dem Klo ihre
Geräusche von sich gab, drehte ich die Lautstärke vom Fernseher hoch. Nach
ungefähr einer halben Stunde, als Katharina immer noch auf dem Klo hockte,
drehte ich den Ton runter und rief: »Geht’s dir gut?«
»Es geht nicht, Scheiße«, rief
sie zurück.
Damit sie nicht anfing, mich
ausführlicher über ihre Verdauungsaktivitäten auf dem laufenden zu halten, rief
ich hinüber: »Übrigens, warum hast du eigentlich nicht geheiratet?«
»Vor der Geburt hat der Arsch
gesagt, ich wollt ihn mit dem Kind zur Ehe erpressen. Und er würde sich nicht
erpressen lassen. Und nach der Geburt hat er mir vorgeworfen, ich würde mich
nur um Lara-Joy kümmern, er spiele überhaupt keine Rolle mehr.« Endlich ging
die Klospülung. Aber Katharina kam nicht. Sie rief: »War es nach diesem
Egoisten gegangen, hätte ich mich ständig um ihn kümmern sollen, und Lara-Joy
wäre verwahrlost!«
»Reicht dir das Geld, das du
von ihrem Vater bekommst?«
»Von dem nehm ich keinen
Pfennig! Es reicht mir, daß mich meine Eltern mit Geld vollstopfen, um ihr
schlechtes Gewissen zu beruhigen. Die wollen jetzt kompensieren, daß sie früher
nie Zeit für mich hatten. Die sind beide Schauspieler, aber meine Mutter hat
nie die Mutterrolle gespielt. Die war nie für mich da. Ich bin immer für
Lara-Joy da.«
»Und wie stellst du dir deine
Zukunft vor?«
Wieder ging die Klospülung.
»Ich steh doch viel besser da als diese Karriere-Kastratin, die der Arsch
geheiratet hat — die hat nur diesen Arsch, aber ich hab Lara-Joy. Ein Kind hast
du für immer. Männer hauen ab und lassen sich scheiden, wie es ihnen gefällt.«
Ich dachte nach.
Endlich kam sie vom Klo: »Das
war ein Akt. Wenn man als Mutter allein ist, kommt man nicht mal zum Scheißen,
in Amerika wird man bestraft, wenn man ein Kind unter sechs Jahren
unbeaufsichtigt läßt. Nur in unserer kinderfeindlichen Gesellschaft ist das
erlaubt.« Sie setzte sich neben Lara-Joy aufs Bett und sah Lara-Joy an.
»Brauchst du mich jetzt noch?«
Was sollte ich hier tun? Lara-Joy von der anderen Seite anstarren?
»Könnte sein, daß ich dich
später noch mal brauche. Das Abführmittel hat nicht richtig gewirkt. Manchmal
dauert eine Verdauung länger als eine Geburt. Die Geburt von Lara-Joy ging
unheimlich schnell. Von der ersten Preßwehe bis sie raus war gerade vier
Stunden und sechzehn Minuten. Bei manchen Frauen, die ihr Kind nicht loslassen
wollen, dauert das viel länger.«
Ich hatte keine Lust, mir mehr
Geburtsdetails anzuhören. »Ich hab noch nichts zu Abend gegessen«, sagte ich
und stand auf. »Du kannst mich wieder anrufen, wenn ich wieder kommen soll.«
»Wir fahren übers Wochenende
ins Wochenendhaus meiner Mutter. Und nächste Woche bis Dienstag ins
Wochenendhaus meines Vaters. Soll ich dir jetzt Geld geben?«
»Nein.« Unmöglich. Ich stellte
mir vor, Annabell würde davon erfahren: Sie würde toben, daß heutzutage
alleinerziehende Mütter sogar dafür zahlen müssen, wenn sie mal aufs Klo gehen!
Auf dem Heimweg dachte ich
weiter nach: Für Katharina war Glück, jemanden zu haben, der einen nie verläßt.
Sicher, das ist Glück. Und sicher, ein Kind kann nicht einfach abhauen wie ein
Mann. Ein Kind kann sich nicht scheiden lassen. Es gibt Ex-Freunde, Ex-Männer,
aber keine Ex-Kinder. Aber ein Kind ist nicht der einzige Weg zum Glück. Und
der sicherste Weg zum Glück ist nicht unbedingt der beste.
Im Haus brannte kein Licht —
Benedikt und Nora waren also noch nicht da. Kaum hatte ich die Haustür
aufgeschlossen, klingelte das Telefon. Was sollte ich sagen, wenn mich
Katharina jetzt schon wieder bestellte, um ihrer nächsten Verdauungswehe
beizuwohnen? Mir reichte es für heute. Und überhaupt. Diesen Babysitter-Job
konnte ich mir abschminken. Ich mußte diese Bekanntschaft beenden, sonst würde
sie mich täglich anrufen, wenn sie A-A machte. Nur, wie sollte ich ihr das
beibringen? Zuerst wollte ich nicht ans Telefon, die Diskussion verschieben,
aber
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