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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Keine Aufnahme ist was geworden.
Meine Schwester hatte die schlimmsten postnatalen Depressionen, weil sie
niemand Fotos von Solveigs Geburt zeigen konnte.«
    »Mütter können so grausam
sein«, sagte Katharina düster.
    »Und was ist jetzt mit
Lara-Joys Vater?«
    Katharina antwortete mir nicht.
»Lara-Joy, was hältst du davon, wenn du den roten Pulli anziehst, den du vorher
angehabt hast?«
    Lara-Joy war das auch recht.
Ohne Widerspruch und ohne den Blick vom Fernseher zu wenden, ließ sie sich den
roten Pulli anziehen. Lara-Joy war ein ruhiges, nettes Kind — Solveig hätte
jetzt einen Tobsuchtsanfall bekommen. Als sie den Pulli anhatte, wagte ich es
noch mal: »Was macht Lara-Joys Vater?«
    »Er scheffelt Geld.«
Verachtungsvoll sagte sie: »Der Arsch ist Atomkraftwerksanlagenbauingenieur.«
    »Ach, deshalb«, sagte ich
unwillkürlich.
    »Ja, so ein Arsch ist das.«
    »Warum hast du von ihm ein Kind
bekommen?«
    Ohne ihren Blick von Lara-Joy
zu wenden, sagte sie: »Für eine Frau ist das eine wahnsinnige Herausforderung,
daß man es als Mutter schafft, die Anlagen, die ein Kind von so einem Vater
geerbt hat, in positive, nichtaggressive Bahnen zu lenken.«
    »Meinst du, sie hat die Anlagen
geerbt, Atomkraftwerksanlagenbauingenieurin zu werden?«
    Katharina zuckte nur mit den
Schultern.
    »Und was macht er sonst?«
    »Der Arsch ist eine Ehe
eingegangen.«
    »Hat er noch ein Kind?«
    »Eben nicht, das ist ja der
Witz. Er hat eine Karriere-Kastratin geheiratet. Er mußte heiraten, weil die
Dame sich geweigert hat, unverheiratet mit ihm zusammenzuleben.«
    »Und da hat er sie einfach so
geheiratet?«
    »Sag ich doch: Sie hat ihn dazu
gezwungen.« Sie stand auf. »Kannst du jetzt mal auf Lara-Joy aufpassen, ich muß
mal.« Und zu Lara-Joy sagte sie: »Mama macht A-A.«
    Dann hörte ich sie aus dem
türlosen Klo furzen. Laut und mehrmals. Lara-Joy sagte: »Mama macht A-A.«
    Ein Glück, daß man wenigstens
vom hinteren Zimmer nicht ins Klo sehen konnte. Sollte ich nun auf Lara-Joy
ebenso aufpassen, wie es Katharina tat: Lara-Joy unablässig anstarren? Lara-Joy
sah jetzt ein Werbequiz und freute sich herzlich mit der Gewinnerin eines Mikrowellenherdes
im Wert von 495 Mark. »Siehst du gerne Werbung?« fragte ich sie.
    »Ja«, sagte sie. Sonst nichts.
    »Mama macht A-A«, rief
Katharina vom Klo. »Mußt du auch A-A?«
    »Nein«, sagte Lara-Joy.
    Die Klospülung lief. Aber
Katharina rief: »Mama macht mehr A-A.« Wenigstens furzte sie nicht mehr.
    Als sie wiederkam, sagte
Katharina: »Seit ihrer Geburt hab ich ziemliche Verdauungsschwierigkeiten.«
    Ich kam mir prüde vor. Noch nie
konnte ich mit andern Leuten frei und natürlich über meine Körperfunktionen
reden. Nicht mal mit der Frauenärztin. Vielleicht lernt man das erst, wenn man
ein Kind hat, dachte ich, denn wenn man über eine Geburt reden kann, dann kann
man über alles reden.
    »Was nimmst du für ein
Abführmittel?« fragte Katharina. »Keine.« Und dann sagte ich: »Ich meine, nur
natürliche, biologisch abbaubare Sachen«, und hoffte, nichts Falsches gesagt zu
haben. Warum interessierte sie sich für Abführmittel? Katharina sagte nichts
dazu. Ohne den Blick von Lara-Joy zu wenden, griff sie unters Bett, fand dort
eine Haarbürste und bürstete erst Lara-Joy, dann sich die Haare.
    »Ich glaub, ich muß jetzt
gehen«, sagte ich, »mein Freund kommt nach Hause.«
    »Geht dir das nicht auf den
Wecker, daß du immer für deinen Typen zur Stelle sein mußt? Ich würde das nicht
aushalten.«
    »Nein, das ist kein Problem bei
uns.« Was hätte ich sonst sagen sollen? Lara-Joy strahlte mich an, als ich auf
Wiedersehen sagte, und weil sie so deutlich zufrieden mit mir war, sagte ich
gleich: »Also, wenn du eine Babysitterin brauchst, ruf mich an.«
    »Mach ich«, sagte Katharina.
Als sie mit mir zur Tür ging, fragte Lara-Joy: »Mama, machst du A-A?«
     
    Natürlich war das heute nur
eine Einarbeitung gewesen, dafür konnte ich kein Babysitter-Honorar verlangen.
Grundsätzlich sah ich keine Probleme mit Lara-Joy, sie war so nett.
    Aber Benedikt sah Probleme:
»Hoffentlich bringt dich ein Babysitter-Job und die Bekanntschaft mit der
jungen Mutter nicht auf falsche Gedanken.«
    Ich lachte nur. Benedikt hat
mal gesagt, ab fünfunddreißig denkt er über Kinder nach, vorher nicht. Und ich
bin damit sehr einverstanden.
    Allerdings ging mir nicht aus
dem Kopf, was Katharina über die Ehefrau des Vaters ihrer Tochter erzählt
hatte: Die hatte schlicht und einfach

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