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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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heraus.»
    «Damit bestätigen Sie wenigstens die Tatsache, an der Sie nicht vorbeikommen. Ich habe Ihr Leben gerettet und erwarte, dass Sie sich bedanken.»
    Wenn Blicke töten könnten, wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Roh stieß er mich beiseite. An der Tür drehte er sich um und sagte: «Ich werde Ihnen nicht danken, weder jetzt noch später. Doch ich erkenne die Schuld an – und eines Tages werde ich sie bezahlen.»
    Dann war er gegangen, und ich blieb mit verkrampften Händen und wild pochendem Herzen zurück.

11
     
    Der Rest der Nacht verlief ruhig. Ich frühstückte im Bett und stand spät auf. Mrs Blair winkte mir zu, als ich an Deck kam.
    «Guten Morgen, kleine Zigeunerin. Setzen Sie sich hier neben mich. Erzählen Sie mir etwas über sich. Weshalb fahren Sie nach Südafrika?»
    Ich erzählte ihr etwas über Papas Lebensaufgabe.
    «So sind Sie also die Tochter von Charles Beddingfeld? Wusste ich doch gleich, dass Sie nicht nur eine kleine Landpomeranze sind. Wollen Sie nach Broken Hill, um weitere Schädel auszubuddeln?»
    «Vielleicht», sagte ich vorsichtig, «ich habe jedoch auch noch andere Pläne.»
    «Kleine Geheimniskrämerin! Aber Sie sehen heute wirklich müde aus. Haben Sie schlecht geschlafen? Ich bin an Bord immer das reinste Murmeltier, könnte zwanzig Stunden ohne Unterbrechung schlafen.» Sie gähnte und sah wie ein kleines, müdes Kätzchen aus. «Irgendein Trottel von Steward hat mich heute mitten in der Nacht aufgeweckt, um mir meinen verlorenen Film wiederzubringen. Und er hat es auf höchst melodramatische Art getan: Streckte seinen Arm durch den Ventilator und ließ den Film mitten auf meinen Magen fallen. Ich bin aufgeschreckt und habe zuerst geglaubt, es sei eine Bombe.»
    «Da kommt Ihr Colonel», sagte ich, als sich Colonel Race an Deck zeigte.
    «Er ist keineswegs mein Colonel. In Wirklichkeit bewundert er nur Sie. Laufen Sie also nicht davon, Zigeunerin!»
    «Ich will nur schnell einen Schal für meinen Kopf holen, damit die Haare nicht so flattern.»
    Und schon war ich weg. Aus irgendeinem unklaren Grund fühlte ich mich in Gesellschaft von Colonel Race bedrückt. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die mich einschüchterten.
    Ich ging also in meine Kabine, um etwas Geeignetes für meine widerspenstigen Locken zu finden. Ordentlich, wie ich bin, hatte ich meine Sachen fein säuberlich in die Schubladen gelegt. Als ich jetzt eine öffnete, sah ich sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Ich zog die anderen auf – überall war es dasselbe. Jemand musste in meiner Abwesenheit alle meine Sachen hastig durchstöbert haben!
    Gedankenvoll setzte ich mich aufs Bett. Wer mochte das getan haben – und warum? Hatte jemand nach meinem kostbaren Zettel mit den gekritzelten Ziffern gesucht? Ich schüttelte zweifelnd den Kopf. Das schien mir zu weit hergeholt, denn niemand hier konnte davon wissen. Um was aber handelte es sich dann?
    Ich musste überlegen. Die Ereignisse der letzten Nacht waren zwar aufregend, doch keineswegs aufschlussreich gewesen. Wer war eigentlich der junge Mann, der in meine Kabine gestürzt kam? Ich hatte ihn bisher weder an Deck noch beim Essen gesehen. Gehörte er zur Schiffsmannschaft, oder war er ein Passagier? Wer hatte ihm den Dolchstich versetzt? Und warum? Weshalb um alles in der Welt spielte Kabine siebzehn eine so wichtige Rolle? All das war sehr geheimnisvoll, und eines schien sicher: Auf der Kilmorden Castle gingen seltsame Dinge vor.
    Ich zählte an den Fingern ab, welche Personen mir fragwürdig erschienen.
    Meinen nächtlichen Besucher rechnete ich nicht dazu, obgleich ich mir vornahm, so schnell wie möglich herauszufinden, wer er war. Auf drei Passagiere jedoch wollte ich ein wachsames Auge halten:
     
Sir Eustace Pedler. Er war der Eigentümer des Hauses zur Mühle, und sein Auftauchen hier an Bord mochte mehr als bloßer Zufall sein.
Mr Pagett, sein unheimlicher Sekretär, der sich so sehr um die Kabine siebzehn bemüht hatte. (Wichtig: Herausfinden, ob er Sir Eustace nach Cannes begleitet hatte!)
Reverend Edward Chichester. Gegen ihn konnte ich seine Halsstarrigkeit anführen, mit der er sich in den Besitz meiner Kabine bringen wollte. Das mochte aber auch nur ein Charakterzug von ihm sein. Dickköpfige Menschen benehmen sich oft merkwürdig.
     
    Eine kleine Unterhaltung mit dem Reverend konnte nichts schaden. Rasch band ich mir ein Tuch um den Kopf und ging wieder an Deck, voller Unternehmungsgeist. Ich hatte Glück. Reverend Chichester

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