Der Mann im braunen Anzug
gefeiert. Sie soll ein richtiges Biest sein, aber äußerst fesselnd. Der Zahlmeister war sehr enttäuscht, dass sie nicht an Bord kam, und später hat mir Colonel Race allerhand von ihr erzählt. In Paris waren böse Gerüchte über sie im Umlauf; man hatte sie der Spionage verdächtigt, konnte aber nichts beweisen. Ich vermute, dass Colonel Race damals wegen dieser Sache nach Paris beordert wurde. Jedenfalls wusste er interessante Dinge darüber. Es soll eine regelrecht organisierte Bande gewesen sein, und man nahm an, dass der Anführer ein Engländer war. Man nannte ihn allgemein den ‹Colonel›, doch es gelang nie, seine Identität festzustellen. Er muss der Kopf einer größeren Organisation von internationalen Verbrechern gewesen sein. Räubereien, Spionage, Gewalttaten – all das haben seine Leute begangen. Und wenn nötig, wurde ein unschuldiger Sündenbock vorgeschoben, der dafür einstehen musste. Ein teuflisch schlauer Kerl, dieser ‹Colonel›! Man glaubte, Madame Nadina sei eine seiner Agentinnen gewesen, doch es ließ sich nicht das Geringste nachweisen. Anne, wir sind auf der richtigen Spur! Nadina passt ganz gut in diese Geschichte. Sie sollte diese Verabredung am Zweiundzwanzigsten einhalten. Aber warum ist sie denn nicht an Bord gekommen?»
Die plötzliche Erleuchtung durchfuhr mich wie ein Blitz. «Sie konnte nicht kommen», sagte ich langsam.
«Weshalb nicht?»
«Weil sie tot war! Nadina ist die Frau, die in Marlow ermordet wurde!»
Meine Gedanken kehrten in das Haus zur Mühle zurück; wieder überkam mich das Gefühl der Angst und der Bedrohung, das mir das leere Haus damals eingeflößt hatte. Ich sah meinen Bleistift über den Boden kullern, erlebte nochmals die Entdeckung der Filmrolle. Ein Film! Wo hatte ich doch kürzlich wieder etwas von einem Film gehört? Wieso verband sich dieser Gedanke mit Mrs Blair?
Plötzlich stürzte ich auf sie zu und schüttelte sie: «Ihr Film! Der Film, den man Ihnen neulich nachts durch den Ventilator zuwarf – war das nicht am Zweiundzwanzigsten?»
«Der Film, den ich verloren hatte?»
«Woher wollen Sie wissen, dass es derselbe ist? Warum kam er auf so merkwürdige Weise zurück – mitten in der Nacht? Vielleicht enthält er eine Botschaft! Wo haben sie ihn?»
«Ich habe ihn einfach in das Gepäcknetz neben der Koje gelegt. Hier ist er.»
Ich nahm ihn mit zitternden Händen – und im selben Moment wusste ich, dass meine Vermutung richtig war. Er war bedeutend schwerer, als er hätte sein sollen. Kaum konnten meine bebenden Finger den Klebestreifen lösen. Ich schraubte den Deckel ab – und ein Strom von trüben Kieseln ergoss sich über das Bett.
«Steine», sagte ich enttäuscht.
«Steine?», rief Suzanne aufgeregt. «Nein, Anne, das sind keine Steine, sondern Diamanten!»
15
Diamanten! Ich starrte geblendet auf das glitzernde Häufchen. «Sind Sie auch sicher, Suzanne?»
«Ganz sicher, meine Liebe. Ich habe oft genug Rohdiamanten gesehen. Sie sind übrigens prachtvoll, und einige davon scheinen mir absolut einzigartig zu sein. Dahinter steckt bestimmt eine Geschichte.»
«Die Geschichte, die wir heute Abend hörten!», rief ich.
«Sie meinen…»
«Ja, das, was uns Colonel Race erzählte. Es kann kein bloßer Zufall sein, er hat etwas Bestimmtes damit bezweckt.»
«Sie meinen, er wollte die Wirkung beobachten?»
Ich nickte.
«Die Wirkung auf Sir Eustace?»
Während ich zustimmte, befiel mich bereits ein leichter Zweifel. War es wirklich Sir Eustace, der geprüft werden sollte? Galt die Erzählung nicht vielleicht mir selbst? Bereits früher einmal, bei unserem Gespräch über Archäologie, hatte ich ja das Gefühl gehabt, Colonel Race versuche mich auszuhorchen. Aus irgendeinem Grund verdächtigte er mich. Doch was hatte Colonel Race mit meinem Problem zu tun?
«Suzanne, wer ist Colonel Race?»
«Das ist eine schwierige Frage», entgegnete sie. «Er ist recht bekannt als Großwildjäger; und heute Abend haben Sie selbst gehört, dass er ein Verwandter von Sir Laurence Eardsley ist. Ich habe ihn erst auf dieser Reise kennen gelernt. Er fährt oft zwischen England und Afrika hin und her, und man ist allgemein der Meinung, er gehöre zum Geheimdienst. Ich weiß aber nicht, ob das stimmt. Jedenfalls ist er eine recht geheimnisvolle Persönlichkeit.»
«Durch die Erbschaft von Sir Eardsley ist er wohl sehr reich geworden?»
«Liebe Anne, er kann sich im Gold wälzen! Das wäre eine Partie für Sie.»
«Mich
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