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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Mühsal und Härte natürlich, doch wir waren glücklich. Wir lebten von der Hand in den Mund und kämpften oft ums nackte Dasein. Bei Gott, dabei lernt man einen Freund kennen! Das Band zwischen uns vermochte nur der Tod zu lösen. – Nun, Colonel Race hat Ihnen ja erzählt, dass unsere Mühen nicht umsonst waren. Wir entdeckten eine Art von neuem Kimberley mitten im Dschungel von Britisch-Guayana. Ich kann Ihnen unsere Erregung nicht schildern. Es war nicht eigentlich der Wert des Fundes, der uns so glücklich machte. Eardsley war an Geld gewöhnt und wusste, dass er von seinem Vater Millionen erben würde, und ich war, weiß Gott, schon immer arm gewesen und kannte nichts anderes.
    Nein, es ging nicht um Geld, es handelte sich einfach um das Glück des Entdeckens.
    Wir kamen nach Kimberley frohlockend über unseren Fund. Eine prächtige Kollektion Diamanten brachten wir mit, um sie den Experten zu zeigen. Und dann, im Hotel in Kimberley, trafen wir – sie.»
    Ich erstarrte, meine Finger krampften sich um den Türpfosten.
    «Anita Grünberg hieß sie. Sie war Schauspielerin, sehr jung und sehr schön. Ihre Heimat war Südafrika, doch ihre Mutter war Ungarin, soviel ich weiß. Irgendein Geheimnis umschwebte sie, und das war natürlich ein Anziehungspunkt mehr für zwei junge Burschen, die aus der Wildnis kamen. Wir verliebten uns beide Hals über Kopf in sie, und ihre Aufgabe wurde dadurch sehr erleichtert. Ein erster Schatten senkte sich über unsere Freundschaft, doch nicht einmal das vermochte uns zu entzweien. Jeder von uns war ehrlich gewillt, zurückzutreten, wenn sie sich für den andern entscheiden sollte.
    Doch sie war überhaupt nicht auf Heirat aus, o nein! Später habe ich mich öfter gefragt, weshalb dies nicht ihr Ziel war, denn Sir Laurence Eardsleys einziger Sohn durfte ja wohl eine gute Partie genannt werden. Und dann habe ich erfahren, dass sie schon verheiratet war, mit einem Aufseher im Diamantenlager. Kein Mensch wusste davon. Sie bekundete größeres Interesse für unseren Fund; wir erzählten ihr alles darüber und zeigten ihr sogar die Steine.
    Der Diebstahl der De-Beers-Diamanten wurde entdeckt, und kurz darauf tauchte plötzlich die Polizei bei uns auf und nahm unsere Steine mit. Zuerst lachten wir darüber, die ganze Sache erschien uns so absurd. Doch dann wurden die Diamanten dem Gericht vorgelegt – und es wurde eindeutig nachgewiesen, dass es sich um die gestohlenen handelte. Anita Grünberg war verschwunden. Auf schlaue Weise hatte sie den Austausch der Steine zustande gebracht, und unsere heiligen Eide, es handle sich bei den Diamanten gar nicht um unsere Steine, fanden natürlich keinen Glauben.
    Sir Laurence Eardsley hatte einen gewaltigen Einfluss. Es gelang ihm, den Fall zu unterdrücken – aber zwei junge Menschen waren vernichtet, ihre Namen auf ewig gebrandmarkt. Und dem alten Sir Eardsley brach das Herz. Er hatte eine letzte, bittere Unterredung mit seinem Sohn, in der er ihm die schlimmsten Vorwürfe ins Gesicht schleuderte. Seinen Namen hatte er, soweit er konnte, zu schützen versucht, doch sein Sohn existierte von da an für ihn nicht mehr. Mein Freund aber war zu stolz, um vor seinem Vater seine Unschuld zu beteuern. Eine Woche später wurde der Krieg erklärt; wir meldeten uns beide als Freiwillige. Was dann geschah, das wissen Sie. Der Tod zerbrach eine Freundschaft, die ihresgleichen nicht wiederfindet.
    Ich schwöre Ihnen, Anne, dass ich nur um seinetwillen diese Frau derart gehasst habe. Er hat den Tod gesucht, er war tollkühn und gleichgültig gegen jede Gefahr. Die Enttäuschung, die er an ihr erlebt hatte, traf ihn schwerer als mich. Ich war wohl kurze Zeit irrsinnig verliebt – ein Strohfeuer, das rasch erlosch. Für ihn aber bedeutete sie den ganzen Lebensinhalt, ihr Verrat traf ihn bis ins Mark. An diesem Schlag ist er zerbrochen.»
    Er schwieg, und ich überließ ihn seinen Gedanken an den toten Freund. Nach einer Weile fuhr er fort: «Sie wissen, dass ich als vermisst gemeldet wurde. Mir war es gleichgültig, ich ließ es dabei bewenden. Ich nahm den Namen Parker an und kam auf die Insel, die ich von Kindheit an kannte. Zu Beginn des Kriegs hatte ich noch die ehrgeizige Hoffnung gehegt, meine Unschuld eines Tages beweisen zu können. Doch nach dem Tod meines Freundes hatte mich jede Energie verlassen.
    Wozu? fragte ich mich. Er war gefallen, und nähere Verwandte besaßen wir beide nicht mehr. Auch mich hielt man für tot – sollte es dabei bleiben!

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