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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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dort nach einem Haus, das am Ufer des Flusses zu vermieten sei. Ich stand am nächsten Tisch und sprach mit einem anderen Angestellten, als plötzlich Anita Grünberg – oder Nadina erschien, anmaßend und schön wie immer. Gott, wie ich sie hasste! Hier stand die Frau, die mein Leben zerstört hatte, meines – und ein anderes, weit wertvolleres. Es zuckte mir in den Fingern, ihr jetzt, sofort, meine Hände um den Hals zu legen und sie zu erwürgen. Ich sah rot und hörte kaum, was der Angestellte zu mir sagte. Dann vernahm ich ihre Stimme, hell und mit übertrieben fremdländischem Akzent: ‹Das Haus zur Mühle in Marlow, Eigentum von Sir Eustace Pedler. Das scheint mir das Richtige zu sein; auf jeden Fall werde ich hingehen und es ansehen.›
    Der Makler stellte ihr eine Bescheinigung aus, und sie entfernte sich ebenso stolz, wie sie gekommen war. Kein Wort, kein Zeichen, dass sie Carton erkannt hatte, und dennoch war ich überzeugt, dass das Treffen beabsichtigt war. Aber dann ließ ich mich zu einem Trugschluss verleiten. Da ich nichts von der Abwesenheit von Sir Eustace wusste, hielt ich die Geschichte mit der Hausbesichtigung für einen bloßen Vorwand, um mit ihm zusammenzutreffen. Mir war bekannt, dass sich Sir Eustace zur Zeit des Diamantendiebstahls in Afrika aufgehalten hatte, und da ich ihn nie gesehen hatte, nahm ich an, er müsse der geheimnisvolle ‹Colonel› sein.
    Ich folgte meinen beiden Verdächtigen. Nadina ging direkt zum Hotel Hyde Park und begab sich in das Restaurant. Ich wollte nicht riskieren, von ihr erkannt zu werden, und blieb daher Carton auf den Fersen, in der Hoffnung, dass er auf dem Weg sei, die Steine zu holen. Dann wollte ich mich ihm überraschend zu erkennen geben, um so die Wahrheit von ihm zu erfahren. Ich folgte ihm zur Untergrundbahn am Hyde Park Corner. In seiner Nähe stand nur ein junges Mädchen, sonst niemand. Daher entschloss ich mich, ihn jetzt direkt zu stellen.
    Sie wissen, was dabei herauskam, Anne. In seinem Entsetzen, plötzlich einen Menschen vor sich zu sehen, den er in Afrika wähnte, verlor er den Kopf und fiel auf die Schienen. Ich gab mich als Arzt aus, und so gelang es mir, seine Taschen zu durchsuchen. Ich fand eine dünne Brieftasche mit ein paar Geldscheinen, einen oder zwei unwichtige Briefe, einen Film, den ich später irgendwo wieder verloren haben muss, und einen Zettel, auf dem Ort und Zeit einer Verabredung auf der Kilmorden Castle gekritzelt waren. In der Eile verlor ich auch diesen Zettel, doch glücklicherweise hatte ich mir die Ziffern gemerkt.
    Ich ging schnell zur nächstgelegenen Garderobe und entledigte mich meiner Verkleidung, um nicht als Taschendieb verhaftet zu werden. Dann kehrte ich zum Hotel Hyde Park zurück. Nadina saß noch immer beim Essen. Es ist wohl nicht nötig, Ihnen genau zu schildern, auf welche Weise ich ihr nach Marlow folgte. Sie ging in das Haus, und ich erlangte ebenfalls Einlass, indem ich der Pförtnerin gegenüber behauptete, ein Freund der Dame zu sein.»
    Harry hielt inne. Eine Weile herrschte Schweigen.
    «Sie werden mir doch glauben, Anne? Ich schwöre vor Gott, dass alles wahr ist, was ich Ihnen jetzt noch zu sagen habe. Ich folgte ihr mit Mordlust im Herzen – und fand sie tot! Es war entsetzlich. Tot – und ich war nur drei Minuten nach ihr ins Haus gegangen! Kein einziges Zeichen, dass außer mir noch ein anderer Mensch dort war. Natürlich erkannte ich sofort, in welch furchtbarer Lage ich mich befand. Mit einem einzigen Schlag hatte sich der ‹Colonel› von seiner Erpresserin befreit und gleichzeitig ein Opfer gefunden, das für seinen Mord herhalten sollte.
    Ich weiß kaum, was ich danach tat. Es gelang mir, das Haus zu verlassen und einen einigermaßen normalen Eindruck zu machen. Doch es war mir völlig klar, dass der Mord über kurz oder lang entdeckt wurde und bald jeder Polizist in ganz England meine Beschreibung in Händen haben würde.
    Ein paar Tage verhielt ich mich ruhig und wagte nichts zu unternehmen. Schließlich kam mir ein Zufall zu Hilfe. Ich hörte ein Gespräch zwischen zwei Herren, und ich bekam mit, dass der eine von ihnen Sir Eustace Pedler war und in Kürze nach Südafrika zu reisen beabsichtigte. Sofort tauchte der Gedanke in mir auf, mich ihm als Sekretär für die Reise anzubieten. Die Möglichkeit dazu gab mir das erlauschte Gespräch. Nach allem glaubte ich nicht mehr daran, dass Sir Eustace und der ‹Colonel› identisch seien. Sehr wahrscheinlich handelte es sich um

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