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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ich führte ein friedliches Leben hier, weder glücklich noch besonders unglücklich. Jedes Fühlen in mir war erstorben.
    Dann geschah eines Tages etwas, das mich aufrüttelte. Ich sollte eine Gesellschaft auf meinem Boot herumfahren und stand am Landungssteg, um den Leuten beim Einsteigen zu helfen, als ich plötzlich einen erschrockenen Ausruf vernahm. Ich wandte mich um und bemerkte einen kleinen Mann, der mich anstarrte, als ob ich ein Gespenst wäre. Sein Entsetzen war so auffallend, dass es meine Neugier erregte. Ich erkundigte mich im Hotel nach ihm und erfuhr seinen Namen. Er hieß Carton, kam aus Kimberley und war Aufseher im Diamantenlager De Beers’. In dieser Sekunde überfiel mich auf einmal wieder der ganze Jammer meiner verpfuschten Existenz. Ich verließ die Insel und fuhr nach Kimberley.
    Dort konnte ich nicht viel über ihn erfahren. Schließlich entschied ich mich dafür, ihn direkt zu stellen. Ich nahm meinen Revolver und ging zu ihm. Sehr bald erkannte ich, dass er Angst vor mir hatte – weniger vor meiner Waffe als vor meiner Person. Bald hatte ich alles erfahren, was ich wissen wollte. Er war es, der damals den Diebstahl der Diamanten bei De Beers ausgeführt hatte, und Anita Grünberg war seine Frau. Einmal hatte er uns gesehen, als wir mit Anita im Hotel saßen. Er hatte gelesen, dass ich gefallen sei, und mein Wiederauftauchen musste ihn daher zu Tode erschrecken. Sie hatten sehr jung geheiratet, doch ihr Zusammenleben dauerte nur kurze Zeit. Anita verließ ihn und geriet in schlechte Gesellschaft. Als er davon erzählte, erfuhr ich zum ersten Mal von der Existenz des geheimnisvollen ‹Colonels›. Carton selbst wurde nur ein einziges Mal in dessen Machenschaften verwickelt, nämlich bei diesem Diamantendiebstahl. Dies versicherte er mir nachdrücklich, und ich war geneigt, ihm zu glauben. Er war ganz entschieden nicht der Mann für eine Verbrecherlaufbahn.
    Aber trotzdem war ich überzeugt, dass er mir noch etwas verheimlichte. Um das herauszufinden, bedrohte ich ihn mit der Pistole. In seiner Todesangst erzählte er die ganze Geschichte. Anscheinend war Anita Grünberg dem ‹Colonel› gegenüber misstrauisch gewesen. Statt ihm, wie vereinbart, alle unsere Diamanten auszuhändigen, hatte sie einen Teil davon zurückbehalten. Die Fachkenntnisse von Carton waren ihr dabei von Nutzen gewesen, denn sie hatte nur solche Steine unterschlagen, bei denen eine genaue Prüfung sofort ergeben musste, dass sie niemals aus den Minen von De Beers stammen konnten.
    Hier lag eine Möglichkeit für mich! Meine Behauptung, man habe uns andere Steine untergeschoben, konnte nun bewiesen werden; ich würde den Fall noch einmal vor Gericht aufrollen, unsere Namen könnten rehabilitiert werden, und der Verdacht würde in die richtigen Bahnen gelenkt. Nach Cartons Erzählung war der ‹Colonel› persönlich beteiligt, denn Anita hatte ihn offenbar in der Hand. Carton schlug mir vor, ein Abkommen mit seiner Frau zu treffen, die sich jetzt Nadina nannte. Er glaubte, sie würde für eine hohe Geldsumme bereit sein, sich von den Diamanten zu trennen und ihren früheren Verbündeten zu verraten. Er erklärte sich sogar bereit, ihr sofort in dieser Sache zu telegrafieren.
    Doch ich hatte noch so meine Zweifel bezüglich Carton. Wohl ließ er sich leicht einschüchtern, aber in seiner Angst mochte er mir so viele Lügen aufgetischt haben, dass sich die Wahrheit schwer herausschälen ließ. Am folgenden Abend begab ich mich wiederum zu ihm, in der Hoffnung, er habe inzwischen Antwort auf sein Kabel erhalten. Man teilte mir mit, er sei verreist, würde aber bestimmt am nächsten Tag zurückkehren. Mein Misstrauen verstärkte sich. Ich zog Erkundigungen ein und erfuhr, dass er sich am übernächsten Tag in Kapstadt auf der Kilmo r den einschiffen werde, um nach England zu fahren. Es gelang mir noch rechtzeitig, ebenfalls an Bord des Schiffs zu kommen.
    Ich hatte nicht die Absicht, Carton durch meine Anwesenheit auf dem Schiff zu verängstigen. In Cambridge war ich öfter als Schauspieler aufgetreten, und es fiel mir nicht schwer, einen älteren, bärtigen Herrn mit Brille zu mimen. Ich ging ihm auf dem Schiff aus dem Weg, indem ich vorgab, seekrank zu sein, und meine Kabine kaum verließ.
    In London war es leicht, ihm auf den Fersen zu bleiben. Er fuhr direkt zu einem Hotel und ging erst am nächsten Tag kurz vor ein Uhr wieder aus. Ich folgte ihm. Er fuhr zu einem Häusermakler in Knightsbridge und erkundigte sich

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