Der Mann im braunen Anzug
Plötzlich stieß er einen Freudenschrei aus. «Sie fliehen, Anne – sie haben genug!»
Er warf das Gewehr hin und riss mich in seine Arme.
«Anne, du warst wundervoll.» Er küsste mich. «Und jetzt an die Arbeit! Bring die Petroleumkannen her.»
Ich tat, wie er befahl, während er auf dem Dach herumkletterte. Gleich darauf war er wieder bei mir.
«Jetzt zum Boot hinunter; wir müssen es auf die andere Inselseite tragen.»
Wir rannten zum Fluss.
Am Ufer sahen wir zu unserem Schrecken, dass die Leinen der beiden Boote gekappt waren. Sie trieben weit draußen auf dem Strom. Harry stieß einen leisen Pfiff aus.
«Wir sitzen bös in der Klemme, Liebes. Schlimm?»
«Nicht wenn du bei mir bist.»
Fast in der gleichen Sekunde schoss aus der Hütte eine hohe Flamme empor. Ihr Schein beleuchtete zwei zusammengekauerte Gestalten auf dem Dach.
«Meine alten Kleider, mit Decken ausgestopft. Es wird einige Zeit dauern, bis sie dahinter kommen. Los, Anne, jetzt müssen wir einen Ausweg suchen.»
Hand in Hand rannten wir quer über die Insel. Dort trennte sie nur ein schmaler Kanal vom Festland.
«Wir müssen hinüberschwimmen. Kannst du schwimmen?»
«Gibt es hier Krokodile?»
«Ja. Denk nicht dran – oder sprich ein Stoßgebet. Was du vorziehst.»
Wir warfen uns ins Wasser. Meine Gebete müssen wirksam gewesen sein, denn wir erreichten unversehrt das andere Ufer und zogen uns nass und tropfend zur Sandbank hinauf.
«Jetzt heißt es für uns auf nach Livingstone. Es ist ein langer Marsch, und unsere nassen Kleider erleichtern ihn nicht gerade. Aber es hilft nichts. Wir müssen es schaffen.»
Als wir in Livingstone ankamen, hing ich über Harrys Schulter wie ein nasser Sandsack. Gerade begann sich der Himmel zu lichten.
Wir suchten Zuflucht bei Harrys Freund Ned, der ein kleines Geschäft mit Eingeborenenarbeiten führte.
Er gab uns zu essen und brachte heißen Kaffee. Wir hüllten uns in Wolldecken, während er unsere nassen Kleider zum Trocknen aufhängte. In dem kleinen Hinterzimmer seiner Hütte waren wir vor neugierigen Blicken sicher, und er verließ uns, um Erkundigungen über Sir Eustace und die anderen sowie deren Verbleib einzuziehen.
Hier gestand ich Harry, dass nichts, absolut nichts mich veranlassen könnte, nach Beira zu fahren. Natürlich hatte ich nie die Absicht gehabt, aber jetzt waren auch seine Gründe hinfällig geworden. Meine Gegner wussten nun, dass ich lebte, also war auch meine Flucht sinnlos. Sie konnten mir mit Leichtigkeit nach Beira folgen und mich dort ermorden, wo mich niemand schützte.
Schließlich beschlossen wir, dass ich mich mit Suzanne – wo immer sie sich auch befinden mochte – treffen und mich nur noch um meine Sicherheit kümmern sollte. Ich versprach, keine Abenteuer mehr zu suchen und den ‹Colonel›, einzig und allein Harry zu überlassen. Die Diamanten sollten auf der Bank in Kimberley unter dem Namen Parker deponiert werden.
«Wir müssen ein geheimes Erkennungszeichen vereinbaren», sagte ich. «Es darf nicht wieder vorkommen, dass wir durch falsche Botschaften in eine Falle getrieben werden.»
«Das ist ganz einfach. Jede Botschaft, die wirklich von mir stammt, wird irgendwo ein durchgestrichenes und haben.»
«Ohne Erkennungszeichen – eine Falle», murmelte ich. «Und bei Telegrammen?»
«Ich unterzeichne jedes Telegramm mit dem Namen Andy.»
Ned steckte den Kopf herein. «Der Zug wird gleich eintreffen», verkündete er und zog sich rasch wieder zurück.
Ich stand auf.
«Und soll ich nun einen netten Mann heiraten, wenn ich einem begegne?», fragte ich geziert.
Harry kam auf mich zu.
«Großer Gott, Anne, wenn du jemals einen anderen Mann heiratest als mich, dann drehe ich ihm den Hals um. Und dich…»
«Ja?», fragte ich selig.
«Dich schleppe ich fort und schlage dich grün und blau!»
28
Aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler
Ich habe schon einmal bemerkt, dass ich in erster Linie ein Mann der Ruhe bin. Ich sehne mich nach einem friedlichen Leben – und anscheinend ist gerade dies das einzige Ziel, das ich nie erreiche. Immer ist Trubel und Aufregung um mich herum. Es war eine wahre Erlösung für mich, Pagett mit seiner ewigen Schnüffelei und Suche nach Intrigen los zu sein. Und Miss Pettigrew ist eine recht brauchbare Kreatur. Sie ist zwar keine Schönheit, aber sie besitzt ein paar unschätzbare Vorzüge. Leider hatte ich in Bulawajo eine Leberattacke. Auch wurde meine Nachtruhe im Zug gründlich gestört. Um drei Uhr früh
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