Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Atmosphäre von Aufregung und mannhaftem Tun, die ihm nach dem Krieg verloren gegangen ist. In jedem Fall aber zieht er Betsys Vorwürfe auf sich: »Seit du wieder da bist«, sagt sie, »willst du eigentlich nicht mehr viel. Du arbeitest hart, aber im Grunde versuchst du es gar nicht richtig.«
Tom Rath steckt tatsächlich in einer Klemme des Konsumzeitalters. Bei drei Kindern, die er zu versorgen hat, wagt er sich nicht auf den Weg von Anomie, Ironie und Entropie, den Beat-Weg, den Kerouac propagierte und dem Pynchon folgte. Doch die Tretmühle des Konsumismus, das bequeme Konzept, die Waren zu begehren, die jeder andere auch begehrt, scheint kaum weniger gefährlich. Tom sieht durchaus, dass er, wenn er in die hedonistische Tretmühle steigt, tatsächlich zum Mann im grauen Flanell wird und mechanisch noch höheren Gehältern nachjagt, um sich »ein teureres Haus und einen besseren Gin« leisten zu können. Und so schwanken Stimmung und Tonfall in der ersten Hälfte des Romans, wo er sich zwischen gleichermaßen unattraktiven Alternativen windet, heftig zwischen Müdigkeit, Wut und Angeberei, zwischen Zynismus, Verzagtheit und prinzipientreuer Entschlossenheit, und Betsy, die überhaupt nicht erkennt, warum ihr Mann unglücklich ist, schwankt mit ihm mit.
Die erste Hälfte des Buchs ist die sehr viel bessere. Die Raths sind reizvoll, eben weil viele ihrer Ansichten es nicht sind. Und die Nebenfiguren vom Anfang sind, als wollten sie die Sprunghaftigkeit der Raths spiegeln, häufig komisch und faszinierend; da ist der Personalchef, der sich hinter seinem Schreibtisch flach auf den Boden legt, der Arzt auf Hausbesuch, der Kinder hasst, die kurzzeitig eingestellte Haushälterin, die die kleinen Racker der Raths auf Vordermann bringt. Die erste Hälfte des Buchs macht Spaß . Taucht man in Wilsons altmodische Gesellschaftsroman-Erzählweise ein, dann ist es wie eine Spritztour in einem Oldsmobile; man ist verblüfft über seinen Komfort, seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise; vertraute Anblicke wirken frisch, wenn man sie durch seine kleinen Fenster sieht.
Die zweite Hälfte des Buchs gehört Betsy – Toms besserer Hälfte. Obwohl ihre Beziehung aus drei Jahren Schwärmerei, gefolgt von viereinhalb Jahren Lügen in Kriegszeiten und Getrenntsein, gefolgt von weiteren neun Jahren Liebe »ohne große Leidenschaft« und Familienleben »ohne ein Gefühl außer Sorge« besteht, hält Betsy zu ihrem Mann. Sie legt ein Programm zur Familienoptimierung auf. Es gelingt ihr, Tom für die Lokalpolitik zu interessieren. Sie verkauft das verhasste Haus und führt ihre Familie aus dem tristen Exil in exklusivere Gegenden. Sie entscheidet sich für ein Leben des risikoreichen Vollzeit-Unternehmertums. Am wichtigsten aber ist, dass sie Tom unablässig dazu anhält, ehrlich zu sein. Die Handlung driftet folglich ganz allmählich von »Paar mit interessanten Fehlern ringt mit Fünfziger-Jahre-Konformismus« zu »Schuldbeladener Mann lässt sich passiv von großartiger Frau helfen«. Zwar gibt es auf der Welt so großartige Menschen wie Betsy, allerdings taugen sie nicht zu großartigen Romanfiguren. In einem Vorwort bedankt sich Sloan Wilson überschwänglich bei der eigenen besseren Hälfte, seiner ersten Frau Elise (»Viele der Gedanken, auf denen dieses Buch gründet, stammen von ihr«), sodass man sich ein wenig fragt, ob der Roman nicht eine Art Liebesbrief von Wilson an Elise ist, eine Feier seiner Ehe mit ihr, vielleicht sogar der Versuch, die eigenen Zweifel an seiner Ehe zu zerstreuen, sich selbst zur Liebe zu überreden. Jedenfalls spielt sich im weiblichen Teil des Buches etwas Dubioses ab. Und trotz der vielen Konflikte chez les Rath lässt Wilson seine Figuren nie auch nur in die Nähe der Möglichkeit wahren Unglücks gelangen.
Eine der deutlichen impliziten Aussagen von Der Mann im grauen Flanell ist, dass die Harmonie der Gesellschaft von der Harmonie jedes einzelnen Haushalts abhängt. Der Krieg hat die Vereinigten Staaten krank gemacht, indem er zwischen Männer und Frauen einen Keil trieb; der Krieg hat Millionen Männer in fremde Länder geschickt, um zu morden, dem Tod zu begegnen und mit einheimischen Mädchen zu schlafen, während Millionen amerikanischer Ehefrauen und Verlobte stillvergnügt zu Hause warteten, ihren Glauben an ein Happy End nährten und die Last der Unwissenheit schulterten; nun können nur noch Ehrlichkeit und Offenheit das Band zwischen Männern und Frauen wieder reparieren und eine
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