Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Kind von mir ist. Eine weitere Brutalität würde die Welt nicht ändern. Aber das werde ich nicht tun. Am Zustand der Welt kann ich nichts ändern, aber mein Leben kann ich in Ordnung bringen. Das einzig wirklich Schmutzige an einem unehelichen Kind ist, dass es der Vater meistens nicht unterstützt. Und das ist das eine Anständige, das ich tun werde, und wenn ich nichts anderes mehr mache, und ich hoffe, dass du mir dabei hilfst.«
»Dann schick ihm halt Geld«, sagte sie. »Ich werde dich nicht daran hindern. Du hast meinen Segen. Das willst du doch, nicht?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass du so hämisch bist.«
»Ich bin nicht hämisch, aber seit du von der Armee zurück bist, war es ja nicht gerade gut zwischen uns. Ist Maria der Grund dafür? Seien wir doch ehrlich. Es ist nicht richtig gut mit uns gelaufen. Wir beide haben seit dem Krieg anscheinend viel gelernt – viel, was ich gar nicht wissen will. Wir haben gelernt, uns von einem Tag zum anderen zu schleppen, und unsere einzigen richtigen Gefühle dabei waren Sorgen. Wir haben gelernt, ohne große Leidenschaft miteinander zu schlafen. Wir haben sogar gelernt, uns nicht mehr zu streiten, nicht? Seit du vor einem Jahr die Vase an die Wand geschmissen hast, hatten wir keinen richtig guten Streit mehr. Als wir frisch verheiratet waren, haben wir uns viel gestritten, aber eigentlich sind wir uns doch gar nicht mehr wichtig genug, um uns zu streiten. Seit Monaten habe ich nicht mal mehr geweint. Ich glaube, ich habe vergessen, wie man weint. Ich weiß nur noch, dass ich heute verantwortungsvoll und pflichtbewusst und betont fröhlich um der Kinder willen sein muss. Und du weißt nur noch, wie man Tag und Nacht arbeitet und sich Sorgen macht. Du hältst einen guten Vortrag über die Liebe, aber ich habe davon hier nicht viel gesehen. Ein tolles Leben, wie? War das auch mit Maria so?«
Er schritt nun nervös im Zimmer auf und ab. »Ich weiß, dass es seit dem Krieg nicht mehr gut gewesen ist«, sagte er. »Ich glaube aber, dass es besser wird. Wir werden keine so großen Geldsorgen mehr haben.«
»Hattest du denn Geldsorgen, als du mit Maria zusammen warst?«
»Maria hat zum Krieg gehört. Ich kann dir das nicht erklären.«
»Sicher, ich weiß ja gar nichts über den Krieg. Ich kenne ja nur die Seite der Ehefrau – vier Jahre dasitzen und warten, glauben, dass Treue ein Teil dessen ist, was du Liebe nennst. Ich weiß nur, dass ich von dem Glauben gelebt habe, nach dem Krieg würde alles wunderbar sein, und dass wir beide, seit du wieder da bist, halb tot sind.«
»Hör auf damit«, sagte er. »Wir werden gemeinsam ein gutes Leben haben.« Er schlang die Arme um sie, doch sie entwand sich ihm und lief aus dem Zimmer und die Treppe hinab. Er folgte ihr. Sie rannte zur Haustür hinaus. Auf dem hohen Gras und dem fernen Wasser des Sunds lag Mondlicht. Sie rannte durch die dunklen Schatten des Steingartens zu dem alten Kutschenhaus, wo der Wagen stand. Kurz bevor sie dort war, bekam er sie zu fassen, doch sie wirbelte herum und schlug ihm mit der geballten Faust auf den Mund. Er küsste sie, und da biss sie ihn kräftig. Er fuhr mit der Hand zum Mund. Als er sie wieder wegnahm, war Blut daran.
»Hat Maria so geküsst?«
Ohne ein Wort packte er sie. Sie drehte sich weg, wobei ihre Bluse an der Schulter riss. Er fasste sie an der Taille, zog sie ins hohe Gras hinab, legte sich neben sie und hielt sie mit einem Arm nieder.
»Wir können ja doch noch streiten«, sagte sie und wehrte sich gegen seinen Griff. »Ist uns nur noch das geblieben?«
Er strich ihr über die Haare. »Pscht«, sagte er. Das Gras roch gut.
»Lass mich los«, sagte sie und befreite sich fast. Er warf sich auf sie, und als sich ihre Finger in seinen Hals gruben, küsste er sie grob. Plötzlich brach sie in Tränen aus, vergrub das Gesicht in seinem Hals und klammerte sich wie ein Kind an ihn. Sie zitterte am ganzen Körper.
»Ist ja gut«, sagte er immer wieder. »Alles ist gut.«
Als Antwort kamen nur ihre Schluchzer. Es dauerte lange, bis sie sich legten. Nach einer längeren, vollkommenen Stille sagte sie: »Lass mich jetzt los.«
Er gab sie frei, worauf sie sich lang im Gras ausstreckte. Ihr Gesicht, noch immer tränenüberströmt, leuchtete im Mondlicht. Ihre Bluse war an der einen Schulter zerfetzt, und auf der anderen war ein dunkler Blutfleck auf dem weißen Stoff, wo er sie gehalten hatte. Sie atmete schwer. »Lass mich eine Weile allein, ja?«, sagte sie. »Geh ins Haus
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