Der Mann im Karton
verdreifachen!«
»Du hast gehorcht?« sagte ich
vorwurfsvoll.
»Was soll ich hier denn sonst
tun?« Sie bemerkte wohl das Funkeln in meinen Augen und reagierte rasch. »Nein,
das nicht!«
»Tja...« Ich holte das Lächeln
wieder aus der Versenkung. »Ich hatte gedacht, wir könnten ein Täßchen Kaffee trinken gehen?«
»Und danach?«
»Dann verziehe ich mich wieder
in meinen Wigwam und verschlafe den Rest dieses Tages — ich bin erst um fünf
aus Kendalls Wohnung nach Hause gekommen. Willst du mir Gesellschaft leisten?«
»Ein Mädchen kann es nicht
wagen, in deinem Wigwam die Augen zu schließen«, sagte sie entschlossen. »Und
ich spreche da aus Erfahrung. Du gehst am besten nach Hause und kochst dir
selber Kaffee, und ich halte hier die Stellung. Soll ich dich anrufen, wenn
sich etwas Interessantes ergibt?«
»Nur wenn...«
»... wenn es weiblich, blond und
an den entscheidenden Stellen ausstaffiert ist«, ergänzte sie.
Das Telefon weckte mich.
Während ich nach dem Hörer griff, sah ich zum Fenster hinaus und registrierte,
daß aus dem Central Park ein schwarzes Viereck Dunkelheit geworden war — ich
hatte bis in den Abend hinein geschlafen.
»Boyd«, gähnte ich in die
Muschel.
»Mr. Boyd«, sagte eine
vibrierende Frauenstimme, »hier spricht Margot Lynn.«
»Ja?« machte ich verschlafen.
»Ich habe überlegt, ob ich Sie
wohl mal sprechen könnte«, sagte sie bedrückt. »Geht es vielleicht heute abend ?«
»Was führen Sie denn im
Schilde?« knurrte ich. »Noch eine Überraschungsparty, diesmal mit der Leiche im
Kühlschrank?«
»Bitte!« sagte sie. »Es ist
mein voller Ernst. Könnten Sie zu mir kommen? Ich bin zu Hause.«
»Okay«, stimmte ich zu. »In
einer Stunde.«
Dankbar nannte sie mir eine
Adresse in den East Fifties , nicht weit von der Third
Avenue.
Ich duschte, schabte das Profil
und stieg in den fast neuen, dezent gestreiften Anzug, dessen Schneider so
verdammt vornehm gewesen war, daß ich einen Empfehlungsbrief benötigt hatte, um
bei ihm überhaupt nur vorgelassen zu werden. Während ich den Schlips band,
ertönte die Türklingel.
Es war erst halb acht, und doch
war schon die zweite Überraschung dieses Abends fällig. Als ich die Tür öffnete,
stand Helen Mills vor mir, mit einem nervösen Lächeln im Gesicht und Besorgnis
in den vergrößerten Augen.
»Sie müssen entschuldigen, wenn
ich Ihnen derart ins Haus falle, Mr. Boyd«, sagte sie atemlos. »Ich habe heute nachmittag in Ihrem Büro angerufen, und Ihre
Sekretärin sagte mir, sie kämen heute nicht mehr hin, aber ich sagte ihr, es
sei sehr dringend, und da nannte sie mir diese Adresse und meinte, vielleicht
könne ich Sie nach sieben hier antreffen und...«
»Ist ja schon gut«, unterbrach
ich sie rasch, ehe sie vielleicht das Atmen ganz vergaß. »Kommen Sie herein.«
Sie ging ins Wohnzimmer und sah
sich genau um, wobei sie den Kopf ruckartig drehte — als hielte sie jede
Junggesellenwohnung für eine Ansammlung von Fallen für unbedachte Jungfrauen.
Schließlich setzte sie sich auf eine Sesselkante, zog den Rocksaum züchtig über
die Knie und sah mich gleichzeitig verstohlen an.
»Möchten Sie etwas trinken?«
fragte ich.
»Ich trinke nie, Mr. Boyd«,
antwortete sie kurz.
»Zigarette?«
»Ich rauche auch nicht.«
Ich sagte mir, die nächste
Frage könne ich mir sparen, weil die Antwort ja abzusehen war, also ließ ich
mich ihr gegenüber nieder und wartete.
Ihre Zunge huschte ein paarmal
nervös über die bleichen Lippen, dann holte sie tief Luft. »War es nicht
fürchterlich, Mr. Boyd?«
»Was?« sagte ich
verständnislos.
»Der Mord an Mr. Kendall doch, heute nacht .« Die dicken Gläser blitzten mich vorwurfsvoll
an.
»Gewiß«, sagte ich. »Aber
vielleicht hätte Mr. Kendall den Gag mit dem Schachtelmännchen gar nicht so
schlecht gefunden.«
»Glauben Sie, daß ihn dieselbe
Person umgebracht hat, die auch Donnas kleinen Pekinesen ermordete?«
»Schon möglich«, sagte ich.
»Glauben Sie’s?«
»Ich weiß nicht.« Sie nagte ein
Weilchen nachdenklich an der Unterlippe. »Ich muß mit jemand darüber reden, Mr.
Boyd, und weil Donna Sie ja engagiert hat, Klein-Nikis Mörder zu finden — ich
weiß ganz bestimmt, wer es war!«
»Wer denn?« fragte ich.
»Diese Frau, natürlich«, sagte
sie erbittert. »Margot Lynn. Wer denn sonst?«
»Und warum gerade Margot Lynn?«
»Sie ist wahnsinnig
eifersüchtig«, sagte Helen Mills überzeugt. »Sie war schon immer auf Donnas
Erfolge neidisch, und
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