Der Mann im Karton
es klirrte ein bißchen. »Reden Sie keinen
Unsinn, Danny. Weshalb sollte Harvey seinen Produzenten umbringen und damit das
Geschäft aufs Spiel setzen?«
»Die Frage hat etwas für sich«,
gab ich zu. »Vielleicht sollte ich sie ihm einmal stellen.«
In ihren Augen blitzte flüchtig
so etwas wie Furcht auf, während ihre Finger sich wieder in meinen Unterarm
krallten. »Bitte, tun Sie das nicht. Es könnte mich in Verlegenheit bringen.«
»Wieso?«
»Im Augenblick bin ich bei dem
Herrn angestellt, erinnern Sie sich?« Sie stand plötzlich auf, dann sah sie
mein leeres Glas auf dem Teppich. »Wie war’s mit noch einem?«
»Das hat Zeit«, sagte ich.
»Reden wir lieber noch ein wenig über Earl Harvey.«
»Ich möchte aber nicht über ihn
reden«, erklärte sie launisch. »Ich bin es leid bis dorthinaus, über Mord und
Mordmotive und Mezzosoprane zu reden! Ich möchte mich entspannen.«
»Auch das ist mir recht«,
meinte ich. »Soll ich uns beiden noch etwas zu trinken besorgen?«
»Das klingt schon viel besser.«
Sie lächelte wieder, hatte dabei aber etwas Sphinxhaftes an sich. »Es ist doch viel netter, wenn man sich gemeinsam entspannt, meinen
Sie nicht auch?«
Ich trug die Gläser zur
Hausbar, und als ich sie schließlich frisch gefüllt hatte, war Margot
verschwunden. Ich konnte mir einen oder zwei gute Gründe dafür denken, und
deshalb fiel mir nichts weiter drüber ein.
Auf die Couch zurückgekehrt,
die Gläser hübsch ordentlich auf dem kleinen Tisch daneben plaziert ,
entspannte ich mich in den üppigen Polstern und schloß die Augen. Die
Stereoanlage mußte mit Langspielplatten bestückt sein.
Etwas später vernahm ich ein
leises Rascheln und schlug die Augen auf. Vor mir stand Margot, in einem Shortie aus blauem Satin, einem zweiteiligen Pyjama, dessen
hautenge Hosen zwei Handbreit über dem Knie mit hübschen Bündchen endeten und
dessen Oberteil um die Taille von einer breiten Schärpe zusammengehalten wurde.
»Ich hatte eine Menge zu tun«,
sagte sie sanft. »Sie wissen ja, all die kleinen häuslichen Noten der
Gemütlichkeit, die einer Frau so wichtig sind — zum Beispiel das richtige
Gewand, um einem besonderen Gast zu gefallen, dann die Wohnungstür abschließen
und den Telefonhörer neben den Apparat legen...«
Sie ließ sich neben mich auf die
Couch fallen, doch diesmal ohne Distanz.
»Schön, daß Sie die Gläser
gefüllt haben«, murmelte sie. »Im Augenblick kann ich mir nichts denken, was
uns willkommener wäre. Was meinen Sie, Danny-boy?«
Ich spürte dem Bündchen mit
meinem Zeigefinger nach, ob es auch innen richtig genäht war. »Ihre Art Trauer
möchte ich auch mal kennenlernen, Süße«, sagte ich. »Weil sie so schön kurz
ist.«
Sie lächelte sorglos. »Sie
meinen wegen Paul? Die Erklärung ist ganz einfach, mein Lieber, falls Sie das
bedrückt.«
»Jede einfache Erklärung
fasziniert mich«, erklärte ich ernsthaft. »Also?«
Die Couch war eine
paradiesische Insel inmitten des gedämpft beleuchteten Zimmers, auf der es sich
sehr wohl sein ließ. Margot befaßte sich mit meinen
Hemdknöpfen und versuchte dann, mir mit der flachen Hand auf der Brust den Puls
zu fühlen.
»Ein Mädchen wie ich muß sich
entscheiden, mein Freund«, wisperte sie. »Entweder ist sie Sängerin oder
liebende Gattin — aber wenn sie versucht, beide Rollen gleichzeitig zu spielen,
klappt das nie.«
»Das leuchtet mir ein.« Ich
tat, als sei ich beeindruckt. »Das tragische Dilemma im Leben einer begnadeten
Sängerin — dem wahren Leben nacherzählt und als Serie in einem großformatigen
bunten Magazin veröffentlicht.«
»Es ist aber die reine
Wahrheit«, sagte sie kühl und zupfte mir ein Haar aus der Brust, um das zu
unterstreichen.
»Gut, Sie konnten Paul Kendall
nicht heiraten«, sagte ich höflich, weil einem schließlich ja nicht allzu viele
Haare auf der Brust wachsen. »Also haben Sie das Nächstbeste getan und...«
»Wenn Sie die Geschichte
erzählen wollen, dann bin ich still und höre zu.«
»Tut mir leid. Bitte sprechen
Sie weiter.«
»Sex ist für mich so wichtig
wie für die meisten anderen Menschen auch«, fuhr sie fort. »Aber der Gesang ist
es ebenfalls. Deshalb habe ich mir angewöhnt, mich mit Produzenten näher zu
beschäftigen — es sei denn, einer ist körperlich abstoßend oder so.«
»Donnerwetter«, sagte ich
bewundernd. »Das nenne ich wahre Lebenskunst.«
»Ich muß gestehen, daß ich
etwas verstimmt war, als Paul so plötzlich jedes Interesse verlor
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