Der Mann im Karton
Chases Abgang
spazierte ich hinaus zu Fran und warf ihr den Umschlag hin, den Maxine mir
übergeben hatte.
»Das kannst du zu den tausend
legen, die Margot Lynn gespendet hat«, erklärte ich lässig. »Und halte dir die
bösen Buben vom Leib, wenn schon nicht im Boudoir, so doch im Büro, ja?«
Sie schlitzte das Kuvert auf,
blickte einen Moment auf den Scheck und begann zu kichern.
»Seit wann ist denn Geld so
etwas Lustiges?« erkundigte ich mich beleidigt.
Statt einer Antwort reichte
Fran mir den Scheck. Peinlich genau war er ausgestellt — für »D. Boyd,
Hundefänger«.
In einer mit Symbolen, Images
und Public Relations ausgefüllten Zeit kann man wohl nichts anderes erwarten —
ich will damit sagen, was die Leute besitzen, sieht immer besser aus als die
Leute selbst, ihre Autos, Anzüge und Büros.
Earl Harveys Büro bildete da
keine Ausnahme — ganz im Gegensatz zu ihm war es überaus eindrucksvoll. Es
besaß alles, was dem Mann fehlte — Klasse, Geschmack und so fort. Seine
Empfangsdame war eine Vierzigerin mit harten Zügen, aber ihre Figur weckte den
Gedanken, ob sie vielleicht ein Ex-Fotomodell oder ein Ex-Callgirl war, oder
vielleicht nicht mal ein Ex.
»Kann ich Ihnen behilflich
sein?« erkundigte sie sich in einem Tonfall, der von ihrer Entschlossenheit
kündete, mir in keiner Weise zu helfen.
Mit den Empfangsdamen in dieser
Stadt ging es zweifellos steil bergab. Das war nun schon die zweite an diesem
Tag, die mir auf die Nerven ging, und dabei sah sie nicht mal ein Fünftel so
gut aus wie Maxine.
»Ich möchte Earl Harvey
sprechen«, erklärte ich.
»Mr. Harvey ist nur nach
vorheriger Verabredung zu sprechen«, sagte sie schnippisch.
»Du lieber Gott, ich wußte ja
gar nicht, daß er so ein großes Tier ist«, meinte ich beeindruckt. »Wieso kann
er sich dann kein ansehnlicheres Mädchen im Vorzimmer leisten?«
»Die Aufzüge sind rechts«,
sagte sie eisig.
Ich zündete mir eine Zigarette
an und versuche es von neuem. »Sagen Sie ihm, Danny Boyd sei draußen und möchte
ihn sprechen.«
Ihre Züge hellten sich
plötzlich auf, woraus ich schloß, daß ich ihr versehentlich das Profil gezeigt
haben mußte.
»Hallo, Mr. Harvey«, gurrte sie
und blickte über meine Schulter. »Ich habe Sie so schnell gar nicht
zurückerwartet.«
»Ich habe das ganze verdammte
Theater samt dem Geplärr satt bis obenhin«, knirschte eine Stimme hinter meinem
Rücken.
Ich wandte mich um und
erblickte Harvey. Er hatte sich kein bißchen gebessert, seit wir uns das letzte
Mal begegnet waren. Das strähnige Haar fiel ihm noch immer in die Stirn, und
die große Nase schnüffelte mißtrauisch gegen alles in drei Meter Reichweite.
Seine schmutzigen grauen Augen
erkannten mich ohne jegliche Begeisterung.
»Immer noch auf Hundefang,
Boyd?« fragte er.
»Ich bin befördert worden. Ich
arbeite jetzt mit Menschen — falls Sie wissen, was das für Lebewesen sind?«
sagte ich.
»Und was suchen Sie hier?«
»Ich warte auf Sie.«
»Ein andermal«, knurrte er.
»Ich habe morgen abend eine Opernpremiere.«
»Gerade darüber wollte ich mit
Ihnen sprechen«, erklärte ich. »Es fehlt Ihnen vielleicht eine
Mezzosopranistin.«
»Margot Lynn?« brummte er.
»Was, zum Teufel, soll das heißen?«
»Wollen wir nicht lieber in Ihr
Zimmer gehen?« fragte ich höflich. Dann wies ich diskret auf die Empfangsdame.
»Vielleicht möchten Sie nicht, daß Ihre Frau Mutter alles mithört?«
»Gut«, sagte er widerwillig. »Aber
hören Sie auf, mein Personal zu beleidigen, verstanden, Boyd? Marge ist da sehr
empfindlich — wie alle Frauen, wenn sie die Vierzig hinter sich haben. Das
sollten Sie wissen.«
Wir schritten an der bleichen
Dame vorüber, durchquerten einen großen Raum mit einem halben Dutzend oder mehr
Leuten an diversen Schreibtischen und gelangten in ein Büro, das selbst für
sein übertriebenes Selbstbewußtsein geräumig genug
war.
Harvey ließ sich in einen
überdimensionalen Sessel fallen und steckte sich eine Zigarette an, als sei sie
sein persönlicher Gegner.
»Sie sind dran, also packen Sie
aus!« schnauzte er.
Ich erzählte ihm kurz, daß
Margot mich beauftragt hatte, weil sie Chases Verdächtige Nr. 1 war, ferner
dessen Gründe dafür.
»Warum stehlen Sie mir mit
solch dummem Zeug die Zeit?« schimpfte er. »Soll ich etwa in Tränen ausbrechen?
Der Lynn ist der Kragen geplatzt, als Kendall sie wegen der Primadonna abfahren
ließ — was soll’s? Das ist doch alles nur Klatsch. Um ein
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