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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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heftiges Frottieren mit dem rauhen Handtuch brachte die Blutzirkulation wieder in Bewegung.
Dann zog ich mich an, und als ich auf die Straße hinaustrat, bekam ich
plötzlich nagenden Hunger.
    Bis ich gegessen hatte und in
meine Wohnung gelangt war, zeigte die Uhr halb neun. Im Telefonbuch fand ich
Harveys Büronummer. Ich wählte und ließ es zwei Minuten klingeln, aber keiner
meldete sich. In meiner Schreibtischlade lag ein Ring mit Schlüsseln, die
erfahrungsgemäß recht nützlich waren, also ließ ich sie in die Tasche gleiten
und machte mich abermals auf den Weg.
    Ein paar Häuser von Harveys Büro
entfernt fand ich eine Parklücke, und als ich gemächlich auf den Eingang
losschlenderte, sah ich zwei Kameraden, die ihn soeben verließen. Es war wohl
noch früh genug für Streberüberstunden, folglich beschleunigte ich meine
Schritte wie ein Mann, der ein Ziel ansteuert, und drückte den Daumen forsch
auf die Nachtglocke. Als der Nachtwächter öffnete, murmelte ich ein Dankeschön
und flitzte an ihm vorüber zum Tabakstand in der Eingangshalle, wo ich das
Anwesenheitsverzeichnis vermutete — und auch fand. Ich kritzelte einen Namen
und eine Nummer hinein und floh in einen Aufzug. Während ich den Knopf neben
der 4 drückte und die Türen sich schlossen, wandte ich mich um und sah, wie der
Mann das Buch studierte. Er war wohl neugierig, welcher Himmelhund von Kalfaktor
von welchem Himmelhund von Vizepräsident das wohl gewesen war — aber dann
schrillte die Nachtglocke wieder, er steckte sich die Zigarre ins Gesicht
zurück und ging dem nächsten Ausbund von Fleiß die Tür öffnen.
    So weit, so gut. Im Flur des
vierten Stockwerks war niemand zu erblicken, und der dritte Schlüssel am Bund
wurde mit Harveys Schloß fertig. Drinnen schloß ich die Tür leise wieder und
schlich auf Zehenspitzen durch die Dunkelheit des Empfangszimmers und des
großen Raumes dahinter. Wenn Harvey Erpressungsunterlagen aufbewahrte, dann
meines Erachtens in seinem eigenen Büro.
    Dort das Licht einzuschalten,
war keinerlei Risiko; sobald die Tür zu war, konnte man das draußen nicht
sehen. Ich setzte mich hinter Harveys Schreibtisch, brannte mir eine Zigarette
an und öffnete die erste Schublade.
    Zehn Minuten später überkam
mich die betrübliche Einsicht, daß ich meine Zeit vergeudete — ich hatte alle
Schubladen untersucht, und Aktenschränke befanden sich in diesem Raum keine.
Vielleicht besaß er einen verborgenen Wandsafe oder
hob seine Geheimsachen zu Hause oder in der Bank auf. Mithin hatte ich eine
Niete gezogen, konnte heimfahren und mich schlafen legen. Die Sauna hatte mich
ohnehin übermäßiger Energie beraubt. Ich schritt über den Teppich und wollte die
Tür aufmachen — aber ich konnte es mir sparen, denn jemand besorgte das bereits
von der anderen Seite aus.
    Ich trat zurück und wünschte
mir, wenigstens einen Besen zur Hand zu haben, damit ich den Hausmeister
spielen konnte — da öffnete sich die Tür weit. Etwa fünf Sekunden lang sahen
wir uns nur an, dann lächelte die Empfangsdame mit der Modellfigur und der
Empfindlichkeit bezüglich ihres Alters.
    »He, Benny«, sagte sie mit kehliger Stimme. »Es muß diesem Wicht bei uns gefallen
haben — er will noch mehr wissen und ist wiedergekommen.«
    Benny mit dem
Höflichkeitskomplex tauchte neben ihr auf und strahlte zum Willkommen.
    »Sieh mal einer an...« Mit
einer Hand strich er sich das pomadisierte Blondhaar glatt, während er mit der
anderen eine Lueger auf mich richtete. »Ich fürchte,
Sie haben mich doch noch nicht richtig verstanden, Boyd.«
    »Stimmt«, sagte ich hohl .
    »Okay, gehen Sie rückwärts!« Er
sprach plötzlich schärfer. »An die Wand und dranlehnen — mit ausgestreckten
Armen!«
    Ich tat wie geheißen, denn ich
hegte ja keine Selbstmordabsichten — oder vielleicht doch? Benny untersuchte
mich routiniert und klaubte den Schlüsselbund aus meiner Tasche.
    »Sie können sich jetzt
rumdrehen«, sagte er. »Marge, er ist nicht einmal bestückt.«
    »Ich hab’ ihn ja gleich für
einen Verrückten gehalten«, erwiderte die Dame barsch. »Am besten rufe ich Earl
an.«
    »Ja, tu das. Laß dir erzählen,
was mit Boyd geschehen soll. Und vergiß die
Einzelheiten nicht, Marge, du weißt, wie sehr ich meine Arbeit liebe.«
    Marge ging zum Schreibtisch und
hob den Hörer ab, während ich mir den Kopf zerbrach, warum, zum Henker, ich an
diesem Morgen überhaupt aus dem Bett gestiegen war. Sie sprach ein Weilchen,
hastig und leise, dann

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