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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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angetan?«
fragte sie mit zitternder Stimme. »Sie Unmensch!«
    »Ach, hören Sie doch auf«,
sagte ich unwillig. »Ihr fehlt nichts weiter als ein ordentlicher Schluck
Brandy.«
    Donna wandte ihr fleckiges,
tränenbenetztes Antlitz, ganz die große Tragödin. »Er hat sich wie ein
Verrückter benommen«, wisperte sie mit brechender Stimme. »Er... nein! Ich kann
es Ihnen nicht sagen...« Sie heulte von neuem los.
    Helen Mills eilte quer durchs
Zimmer und warf sich schützend wie eine Henne über die Couch. Sie wuchtete
Donnas Kopf in ihren Schoß.
    »Nicht doch, nicht doch«, singsangte sie besänftigend. »Jetzt ist ja alles gut — ich
bin ja hier und beschütze dich vor diesem Unhold. Du bist ja sicher, Liebes,
niemand wird dir etwas tun, solange ich da bin.«
    Das Heulen verebbte schnell zu
gedämpftem Schluchzen. Ich brannte mir eine Zigarette an und sagte mir, daß ich
jetzt etwas zu trinken nötig hatte — aber nicht hier. Was mich noch zögern
ließ, waren die Zweifel bezüglich der gesellschaftlichen Formalitäten — sollte
ich mich nun: »mit bestem Dank für die Einladung« oder mit:
»Es-hat-mir-ausgezeichnet-gefallen« verabschieden?
    Ein leises Schnarchgeräusch machte mir plötzlich klar, daß Donna Alberta friedlich schlief; ihr Haupt ruhte
noch immer in Helens Schoß. Ich dachte mir, am besten sei’s, wenn ich mich
einfach wortlos verdrückte, aber noch ehe ich dazu kam, hob Helen den Kopf und
sah mich voll Verachtung an.
    »Ich finde, Sie sollten jetzt
gehen, Mr. Boyd«, sprach sie leise.
    Ihre freie Hand streichelte
noch immer die schlafende Primadonna. Dann löste sich ihr verkniffener kleiner
Mund zu einem zufriedenen Lächeln. Aus ihren Augen leuchtete Triumph.
    »Ich glaube nicht, daß wir Sie
noch jemals benötigen, Mr. Boyd!«
     
     
     

6
     
    Wiederum fand ich in der
erstbesten Bar Trost und Hilfe durch Kognak und Telefon. Es war kurz nach fünf,
als ich in meinem Büro anrief — und Fran legte besonderes Gewicht auf die
Tatsache, daß sie eigentlich Punkt 17 Uhr Feierabend hatte. Was für ein
unmenschlicher Arbeitgeber ich denn überhaupt sei?
    »Gnade, Liebling«, bat ich.
»Ich bin fix und fertig!«
    »Das kann ich mir vorstellen —
nach zwei Stunden bei der Primadonna«, sagte sie kühl. »Hoffentlich hat sie ein
paar bleibende Eindrücke am Profil hinterlassen.«
    »Hast du Rex Tybolt erreicht?« knurrte ich.
    »Du bist um halb sieben mit ihm
verabredet«, sagte sie. »Nimm dein Badetuch mit.«
    »Was?«
    »Heute ist sein Badetag,
Danny-boy«, erklärte Fran munter. »Die einzige Gelegenheit, mit ihm zu
sprechen, bietet sich während des Dampfbades in seinem Club. Er wird Bescheid
hinterlassen, du brauchst also beim Portier nur deinen Namen zu nennen. Es ist
der Albany Club — kennst du ihn?«
    »Ja«, knirschte ich.
    »Kannst du mir einen Gefallen
tun, wenn du schon mal dort bist, Danny?« meinte Fran freundlich. »Laß dich
auch ein wenig präparieren, vielleicht wirst du dabei ein paar von deinen
urweltlichen Trieben los.«
    »Weil wir gerade von Trieben
reden«, sagte ich und ließ verliebten Unterton in meine Stimme tropfen, »ich
habe dir ja noch gar nicht von dieser Donna Alberta erzählt...« Es klickte, als
Fran abrupt auflegte.
    Ich blieb bis sechs in der Bar,
genehmigte mir noch zwei Drinks und einen extra fürs Dampfbad. Gegen halb
sieben kam ich im Albany Club an und nannte dem Mann hinter der Tür
meinen Namen. Er führte mich zu einem Umkleideraum im Keller, wo mich ein dienstbarer
Geist mit zwei riesigen Handtüchern ausstattete und mir ein Kleiderfach zuwies.
Er wartete geduldig, bis ich mich in ein Tuch umgekleidet hatte, dann geleitete
er mich in den ersten Dampfraum.
    Drinnen kam ich mir vor wie an
einem Sommertag in England.
    In den dichten wirbelnden
Nebelschwaden konnte ich kaum die Hand vorm Gesicht sehen. Es war ein verdammt
günstiger Ort, jemandem heimlich ein Messerchen zwischen die Rippen zu stecken
— wenn man sein Opfer ausfindig machen konnte, heißt das — bei all den dicken
Handtüchern würde nicht mal viel Blut spritzen. Ich schluckte Dampf und schob
meine Zehen zentimeterweise über den feuchten Boden.
    »Sind Sie das, Boyd?« forschte
eine körperlose Stimme.
    »Gewiß«, antwortete ich. »Wo,
zum Teufel, stecken Sie?«
    »Hier.«
    Ich stolperte in die Richtung,
aus der die Stimme drang — und fand Tybolt plötzlich
einsam in einer Ecke sitzend.
    »Tut mir leid, daß es nicht
anders zu machen war«, ertönte sein klangvoller Bariton.

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