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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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die Gefahren erinnert. Sie lauerten überall. Woran die Wachmechanismen den feinen Unterschied zwischen Leichen erkannten, die liegengelassen werden konnten, und solchen, die weggeräumt werden mußten, blieb Muller ein Rätsel. Aber er war davon überzeugt, daß hier nach bestimmten Auswahlkriterien vorgegangen wurde.
    Er sah wieder auf die Bildschirme und beobachtete die winzigen Gestalten, die auf der Ebene rund um das Schiff irgendwelchen Beschäftigungen nachgingen.
    Sollen sie nur hereinkommen, dachte er. Die Stadt hat schon seit Jahren keine Opfer mehr gehabt. Sie wird sich schon um sie kümmern. Dort, wo ich bin, bin ich sicher und geborgen.
    Und er wußte, selbst wenn ein Wunder geschah und sie ihn erreichen konnten, würden sie nicht lange bleiben. Seine eigene, ganz besondere Krankheit würde sie schon vertreiben. Sie mochten vielleicht geschickt genug sein, das Labyrinth zu bezwingen. Aber sie würden die Pein nicht ertragen, die Richard Muller seiner eigenen Spezies gegenüber unerträglich machte.
    „Geht weg“, sagte Muller laut.
    Er hörte das Schwirren eines Rotors und trat aus seiner Behausung. Er sah, wie ein dunkler Schatten über den Platz strich. Sie erkundeten den Irrgarten aus der Luft. Rasch lief er wieder hinein. Dann mußte er über sein plötzliches Bedürfnis, sich verstecken zu wollen, lächeln. Natürlich konnten sie ihn ausmachen, wo immer er sich auch aufhielt. Ihre Meßgeräte würden ihnen verraten, daß ein menschliches Wesen im Labyrinth wohnte. Und dann würden sie natürlich überrascht sein und mit ihm Kontakt aufnehmen wollen, obwohl sie gar nicht wissen konnten, wer er war. Und danach …
    Muller verkrampfte, als ein plötzlicher, übermächtiger Wunsch ihn erfüllte: Menschen, die zu ihm kamen. Wieder mit Menschen reden können. Ein Ende seiner Isolation. Er wollte sie hier haben.
    Aber dieser Wunsch währte nur einen Augenblick. Nach dem plötzlichen Aufwallen, dem Bedauern seiner Einsamkeit, setzte sich der kühle Verstand wieder durch … das frostkalte Wissen darum, wie es sein würde, seinesgleichen wieder zu begegnen. Nein, dachte er. Bleibt draußen! Oder verreckt im Irrgarten. Bleibt draußen. Bleibt draußen. Bleibt draußen.
     
     
2
     
    „Direkt dort unten“, sagte Boardman. „Dort muß er sich aufhalten, Ned. Sie können doch das Glühen auf der Sichtscheibe sehen. Wir haben die richtige Masse, die richtige Dichte, alles stimmt. Ein lebendiger Mensch. Und es kann nur Muller sein.“
    „Im Herzen des Labyrinths“, sagte Rawlins. „Also hat er es wirklich geschafft!“
    „Irgendwie schon.“ Boardman starrte auf den Bildschirm. Aus der Höhe von etlichen Kilometern hatte er einen ausgezeichneten Blick auf die innere Struktur der Stadt. Er konnte acht verschiedene Zonen ausmachen. Jede einzelne besaß einen eigenen architektonischen Stil mit ihren Plätzen und Promenaden, ihren verwinkelten Mauern und Wänden, ihrem Gewirr von Straßen, die in einem unerklärlichen Muster zusammenliefen. Die Zonen waren konzentrisch angelegt. Sie breiteten sich von einem weiten Platz im Zentrum fächerförmig aus. Der Massedetektor im Hubschrauber hatte Muller in einer niedrigen Gebäudereihe gefunden, direkt am östlichen Rand des großen Platzes. Boardman konnte allerdings nirgends eine eindeutige Passage zwischen den verschiedenen Zonen entdecken. An Sackgassen mangelte es nicht. Doch selbst aus der Luft war der einzige richtige Weg nicht auszumachen. Was aber, wenn man sich unterirdisch vorarbeitete?
    Auch die Unmöglichkeit dieses Weges war Boardman bekannt. Der Zentralcomputer im Schiff hatte die Berichte der früheren Expeditionen gespeichert, die das versucht hatten und gescheitert waren. Boardman hatte alle verfügbaren Informationen über die verschiedenen Bemühungen mitgebracht, in das Labyrinth einzudringen. Und darunter gab es nicht eine, die einem hätte Mut machen können. Bis auf die verblüffende, aber nicht zu verleugnende Tatsache, daß Muller es geschafft hatte.
    „Das hört sich jetzt vielleicht etwas naiv an, Charles“, sagte Rawlins, „aber warum landen wir nicht einfach mitten auf dem großen Platz?“
    „Das werde ich Ihnen sofort zeigen“, antwortete Boardman.
    Er gab einen Befehl. Eine Robotsonde löste sich aus dem Bauch des Hubschraubers und flog die Stadt an. Boardman und Rawlins folgten mit ihren Blicken dem Flug des mattgrauen Metallprojektils, bis es sich nur noch wenige Meter über den Dächern der Gebäude befand. Durch das

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