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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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facettenartige Spionauge der Sonde erhielten sie eine ausgezeichnete Aussicht auf die Stadt und selbst auf das fein verschlungene Material des Mauerwerks und der anderen Bauten. Plötzlich verschwand die Sonde. Erst erschien eine weißglühende Stichflamme, dann grünlicher Rauch, und plötzlich war nichts mehr da.
    Boardman nickte. „Nichts hat sich geändert. Das Schutzfeld über der Anlage ist immer noch vorhanden. Es pulverisiert alles, was von oben durchzustoßen versucht.“
    „Auch Vögel, die zu nahe herankommen?“
    „Auf Lemnos gibt es keine Vögel.“
    „Und Regentropfen. Irgend etwas muß doch auf die Stadt fallen.“
    „Auf Lemnos regnet es nie“, sagte Boardman scharf. „Zumindest nicht auf diesem Kontinent. Somit braucht sich das Feld nur darauf zu konzentrieren, Fremde fernzuhalten. Das wissen wir bereits seit der ersten Expedition. Einige brave Männer haben das am eigenen Leib zu spüren bekommen.“
    „Warum haben sie denn nicht zuerst eine Sonde losgeschickt?“
    Boardman lächelte und sagte: „Wenn man inmitten einer Wüste auf einer toten Welt eine leere Stadt findet, erwartet man eigentlich nicht, sofort vernichtet zu werden, sobald man in ihr landet. Im Grunde ein verzeihlicher Fehler, der nur den einen Haken hat, daß Lemnos keine Fehler durchgehen läßt.“ Er gab einen neuen Befehl, und der Hubschrauber ging tiefer und folgte einige Zeit dem Verlauf der äußeren Mauern. Danach stieg er wieder auf und schwebte über dem Zentrum der Stadt, damit von dort Photos gemacht werden konnten. Das Sonnenlicht glitzerte in fremdartiger Farbenpracht auf einer Spiegelhalle. Boardman spürte eine Unruhe in sich, die ihn erstarren ließ. Wieder und wieder kreisten sie über der Stadt und flogen alle vorgesehenen Markierungspunkte ab. Boardman entdeckte plötzlich, wie er sich mit schmerzhafter Intensität wünschte, ein plötzlicher Energiestrahl würde von den Spiegeln dort unten hochschießen und sie unverzüglich einäschern – und ihm damit den Ärger abnehmen, diesen Auftrag ausführen zu müssen. Er hatte den Geschmack an der Kleinarbeit verloren, hier standen zu viele kleine und wichtige Details zwischen ihm und dem Ziel seiner Arbeit. Es hieß, Ungeduld sei ein Zeichen für Jugend, und alte Männer knüpften ihre Netze mit Geschick und führten ihre Pläne mit Gelassenheit aus. Aber irgendwie sehnte sich Boardman danach, den Job so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Einfach irgendwelche Drohnen, Sondierungsroboter, auf ihren Metallfüßen durch das Labyrinth jagen, um Muller zu finden und herauszuzerren. Dann dem Mann klar machen, was man von ihm wollte, und ihn dazu bringen, daß er mitmachte. Und danach ganz, ganz schnell zurück zur Erde. Auch diese Stimmung verging wieder. Boardman war wieder der alte, gerissene Fuchs.
    Captain Hosteen, der die Expedition in das Innere des Labyrinths leiten sollte, kam nach achtern, um Boardman zu begrüßen. Er war ein kleiner, schwergewichtiger Mann mit einer flachen Nase und sonnengebräunter Hautfarbe. Er trug seine Uniform so, als würde er glauben, sie könne jeden Moment von seiner linken Schulter rutschen. Aber Boardman wußte, was für ein fähiger Mann er war, bereit, ein ganzes Dutzend Leben, sein eigenes eingeschlossen, zu opfern, um in dieses Labyrinth zu kommen.
    Hosteen warf rasch einen Blick auf den Schirm, sah dann zu Boardman und sagte: „Schon irgendwas herausgefunden?“
    „Nein, nichts Neues. Uns steht ein hartes Stück Arbeit bevor.“
    „Wollen Sie ins Lager zurück?“
    „Es gibt im Moment hier eigentlich nichts mehr zu tun“, sagte Boardman. Er sah zu Rawlins. „Außer, Sie wollen noch irgend etwas überprüfen, Ned?“
    „Ich? Äh, nein … nein. Doch, nun, ich frage mich, ob wir überhaupt selbst ins Labyrinth müssen? Ich meine, wenn wir Muller irgendwie herauslocken könnten, ihn dazu überreden, die Stadt zu verlassen …“
    „Nein.“
    „Besteht dazu keine Aussicht?“
    „Nein“, antwortete Boardman nachdrücklich. „Punkt eins: Muller käme nicht heraus, wenn wir ihn darum bitten. Er ist ein Misantroph, wie Sie sicher bereits mitbekommen haben. Er hat sich hier irgendwo eingebuddelt, um möglichst weit von der Menschheit weg zu sein. Warum sollte er sich jetzt mit uns zusammentun wollen? Punkt zwei: Wir können ihn nicht nach draußen bitten, ohne ihn allzuviel von dem erfahren zu lassen, was wir mit ihm vorhaben. Bei diesem Job, Ned, müssen wir unsere Trümpfe zusammenhalten und dürfen sie

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