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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das Labyrinth aus der gleichen Zeit wie die Fossilien stammen mußte.
    Und trotzdem schien der größte Teil der Stadt, die höchstwahrscheinlich noch vor der Entstehung des Menschen auf der Erde erbaut worden war, von den Erosionskräften der Zeit unberührt zu sein. Teilweise konnte man das trockene Klima auf Lemnos dafür verantwortlich machen. Hier gab es keine Stürme, und seit Mullers Ankunft war noch kein Tropfen Regen gefallen. Aber der Wind und der von ihm aufgewirbelte Sand konnten Wände und Straßen angreifen. Aber auch dafür ließen sich im Irrgarten keine Anzeichen finden. Auch hatte sich der Flugsand nirgendwo auf den Straßen zu Verwehungen angehäuft. Muller kannte den Grund dafür: Verborgene Pumpen sammelten und saugten allen Unrat auf und hielten jede Stelle makellos sauber. Muller hatte einmal ganze Hände voll Erdreich aus den Gartenanlagen der Stadt genommen und damit eine Spur hinter sich hergezogen. Binnen Minuten hatten die kleinen Erdhäufchen damit begonnen, über den spiegelglatten Straßenbelag zu rutschen, und waren schließlich in Öffnungen verschwunden, die sich kurz an den Nahtstellen zwischen Gebäuden und Boden geöffnet hatten und sich ebenso rasch wieder schlossen.
    Offenbar lag unter der Stadt ein ganzes Netzwerk unzerstörbarer Maschinenanlagen – unvergängliche Instandhaltungsgerätschaften, die die Stadt vor dem Biß des Zahns der Zeit bewahrten. Muller war es noch nie gelungen, zu diesem unterirdischen Maschinenpark vorzustoßen. Er besaß einfach nicht das geeignete Werkzeug, um das Pflaster zu durchstoßen. Es schien an jeder Stelle unzerstörbar. Mit selbstangefertigten Geräten hatte er begonnen, in den Gartenanlagen ein Loch zu graben. Er hatte gehofft, auf diese Weise den unterirdischen Teil der Stadt zu erreichen. Aber nachdem er ein Loch bis zu einer Tiefe von fast fünf Metern gegraben hatte und später ein zweites, noch tieferes, war er auf keinen Hinweis gestoßen, daß sich unter den Gärten etwas anderes als weiteres Erdreich befunden hätte. Aber irgendwo mußten die heimlichen Wächter doch stecken: die Anlagen, die die Panoramascheiben in Gang hielten, die Straßen reinigten, das Mauerwerk instand hielten und die mörderischen Fallen kontrollierten, mit denen die äußeren Zonen des Labyrinths bestückt waren.
    Es war kaum vorstellbar, daß eine Rasse eine solche Stadt erbauen konnte. Eine Stadt, die dazu angelegt war, die Jahrmillionen zu überdauern. Und noch unfaßbarer war die Antwort auf die Frage, wie und warum sie verschwunden waren. Ging man davon aus, daß die Knochen, die man in den Gräbern außerhalb der Mauern gefunden hatte, von den Erbauern stammten – und diese Annahme stand keinesfalls auf sicheren Füßen –, dann war die Stadt von stämmigen Humanoiden errichtet worden, die im Durchschnitt ein Meter fünfzig groß gewesen waren und unglaublich breite Brustkörbe und Schultern, lange, geschickte Finger – an jeder Hand acht – und kurze, dreigliedrige Beine besessen hatten.
    Sie waren nirgends auf den bekannten Welten der Galaxis aufzufinden, und in keinem Sternsystem waren mögliche Nachfolger von ihnen entdeckt worden. Vielleicht hatten sie sich in eine weit entfernte Galaxis zurückgezogen, in die der Mensch noch nicht vorgestoßen war. Möglicherweise waren sie aber auch eine Rasse gewesen, die nie Raumfahrt betrieben hatte. Eine Rasse, die sich hier auf Lemnos entwickelt hatte und auf dieser Welt auch wieder zugrunde gegangen war und nur die Stadt als ihr Monument zurückgelassen hatte.
    Sonst ließen sich auf dem Planeten nirgends Spuren einer Besiedelung ausmachen. Allerdings hatte man Grabstätten, die sich kreisförmig um die Stadt zogen, selbst noch in einer Entfernung von tausend Kilometern vom Labyrinth entdeckt, wenn auch in immer bescheidenerem Maße. Möglich, daß die lange Zeit alle ihre Siedlungen bis auf diese eine Stadt erodiert hatte. Möglich aber auch, daß diese Stadt, die etwa eine Million Einwohner aufnehmen konnte, ihre einzige gewesen war. Es gab keinen Hinweis, der ihr Verschwinden geklärt hätte. Das teuflische Genie, das sich hinter der Konstruktion des Irrgartens erkennen ließ, legte den Schluß nahe, daß sie in ihren letzten Tagen von einem Feind bedrängt worden waren und sich in diese furchtbare Festung zurückgezogen hatten. Aber Muller wußte, daß auch diese Theorie nur blanke Spekulation war. Und er wußte nur mit Bestimmtheit, daß dieses Labyrinth das Erzeugnis einer kulturellen Paranoia

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