Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
also das Labyrinth. Jedesmal, wenn ich irgendwo eine Leiche liegen sah, habe ich mich noch etwas genauer umgesehen. Wenn mein Bild von der Umgebung zu verschwimmen schien, blieb ich stehen und wartete. Ich habe fest damit gerechnet, in Zone H zu sterben. Ich wollte es sogar. Aber dank meiner besonderen Fähigkeiten kam ich überall durch, wo andere gescheitert waren. Wahrscheinlich deshalb, weil mir mein eigenes Schicksal völlig gleich war. Die innere Anspannung war von mir gewichen. Ich bewegte mich mit der Geschmeidigkeit einer Katze, war aber nicht sehr vor- und umsichtig. Irgendwie bin ich dann an den Gefahren des Irrgartens vorbeigekommen, sehr zu meiner Enttäuschung. Und jetzt bin ich hier.“
    „Bist du jemals wieder nach draußen gegangen?“
    „Nein. Hin und wieder bin ich bis in Zone E gekommen, wo deine Freunde ein Lager aufgeschlagen haben. Zweimal habe ich mich bis nach F vorgewagt. Aber meist bleibe ich in den drei inneren Zonen. Ich habe mich hier nett und ausreichend eingerichtet. Ich besitze einen strahlensicheren Schrank für meine Fleischvorräte und ein ganzes Gebäude für meine Bibliothek. Und auch einen Ort für meine Mädchenwürfel. In einem anderen Gebäude habe ich mir eine Werkstatt eingerichtet, wo ich Tiere ausstopfe. Ich jage viel. Und ich studiere das Labyrinth und versuche, hinter seinen Mechanismus zu kommen. Ich habe meine Memoiren und die Berichte über meine Entdeckungen auf etliche Würfel diktiert. Ihr Archäologen würdet sicher etwas dafür geben, diese Kassetten in die Finger zu bekommen.“
    „Ich glaube schon, daß wir eine ganze Menge daraus lernen könnten“, stimmte Rawlins zu.
    „Das wollt ihr wohl gerne, was? Aber bevor ich sie euch überließe, würde ich sie lieber zerstören. Hast du noch keinen Hunger, mein Junge?“
    „Doch, eigentlich schon.“
    „Bleib hier. Ich hole dir etwas.“
    Muller lief auf die nächsten Gebäude zu und war bald nicht mehr zu sehen. Leise sagte Rawlins: „Es ist wirklich entsetzlich, Charles. Er hat eindeutig den Verstand verloren.“
    „Verlassen Sie sich lieber nicht darauf“, entgegnete Boardman. „Zweifellos haben neun Jahre der Isolation ihre Auswirkungen auf die psychische Stabilität eines Menschen, und Muller war keine sonderlich gefestigte Persönlichkeit mehr, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Aber es ist genausogut möglich, daß er sich mit Ihnen ein Spielchen erlaubt … nur vorgibt, verrückt zu sein, um Ihr Vertrauen auf die Probe zu stellen.“
    „Und wenn es um seine geistige Gesundheit dennoch nicht mehr zum Besten steht?“
    „Unter den für eine Zusammenarbeit notwendigen Bedingungen fiele das nicht sehr ins Gewicht. Es ist nicht so wichtig, ob er noch bei Verstand ist oder nicht. Vielleicht wäre letzteres sogar von Vorteil.“
    „Das verstehe ich nicht.“
    „Das brauchen Sie auch nicht“, sagte Boardman gelassen. „Entspannen Sie sich. Bis jetzt haben Sie Ihre Rolle sehr gut gespielt.“
    Muller kehrte zurück und brachte einen Teller mit Fleisch sowie einen kunstvollen Kristallbecher voll Wasser mit sich. „Das Beste, was ich habe“, sagte er und schob ein Stück Fleisch durch die Gitterstäbe. „Von einem hiesigen Tier. Du ißt doch feste Nahrung, nicht wahr?“
    „Ja.“
    „Das dachte ich mir … in deinem Alter. Wie alt hast du gesagt, bist du? Fünfundzwanzig?“
    „Dreiundzwanzig.“
    „Noch schlimmer.“ Muller reichte ihm das Wasser. Es hatte einen angenehmen Geschmack, besser gesagt, ein gewohnter Beigeschmack fehlte. Muller saß schweigend vor dem Käfig und aß. Rawlins fiel auf, daß seine Ausstrahlung ihm jetzt nicht mehr so viel ausmachte, selbst bei einem Abstand von weniger als fünf Metern. Offensichtlich gewöhnte man sich daran, zumindest, wenn man es versuchte.
    Nach einer Weile sagte Rawlins: „Würdest du mitkommen und dich mit meinen Kameraden unterhalten wollen … so in ein paar Tagen?“
    „Völlig ausgeschlossen.“
    „Sie würden sicher gern einmal mit dir reden.“
    „Ich habe aber kein Interesse daran. Da würde ich mich schon lieber mit den wilden Tieren hier unterhalten.“
    „Du sprichst doch auch mit mir“, merkte Ned an.
    „Weil es für mich eine Abwechslung darstellt. Und weil dein Vater ein guter Freund von mir war. Und weil du, wie es manchmal bei den Menschen vorkommt, recht angenehm bist. Aber ich will mich nicht einem zusammengewürfelten Haufen nichtsnutziger, stieläugiger Archäologen aussetzen.“
    „Und wenn du es erst einmal mit

Weitere Kostenlose Bücher