Der Mann im Labyrinth
zweien oder dreien versuchst?“ schlug Rawlins vor. „Dich wieder daran gewöhnst, wie es ist, unter Menschen zu sein.“
„Nein.“
„Das verstehe ich nicht …“
Muller schnitt ihm das Wort ab. „Einen Moment mal. Warum sollte ich mich wieder daran gewöhnen, unter Menschen zu sein?“
Unbehaglich antwortete Rawlins: „Nun, einfach aus dem Grund, weil Menschen hier sind. Weil es sicher nicht richtig ist, sich völlig zu isolieren …“
„Willst du mich hereinlegen? Willst du mich zu packen bekommen und dann aus dem Labyrinth entführen? Nun aber mal im Ernst, mein Junge, heraus mit der Sprache: Welcher Gedanke steckt bei dir im Hinterkopf? Welches Motiv steht dahinter, mich auf das Zusammensein mit Menschen vorzubereiten?“
Rawlins zögerte. In dieses unangenehme Schweigen hinein meldete sich Boardman. Er sprach rasch, gab ihm die Gerissenheit ein, die der Junge vermissen ließ, soufflierte ihm. Rawlins hörte zu und bemühte sich.
„ Du hältst mich wohl für einen durchtriebenen Ränkeschmied, was?“ sagte er. „Aber ich schwöre dir, ich führe nichts Unlauteres im Schilde. Ich gebe zu, ich wollte dich ein wenig weichklopfen, wollte dich aufheitern, wollte Freundschaft mit dir schließen. Aber ich schätze, jetzt ist der Moment gekommen, an dem ich dir die Wahrheit sagen muß.“
„Das glaube ich auch!“
„Ich habe das für den Erfolg unserer Expedition getan. Wir können nur wenige Wochen hierbleiben. Aber du bist schon so viele Jahre hier … wieviele waren es noch, neun? Du weißt so viel über diesen Ort, Dick, und ich halte es einfach für unfair, dieses Wissen für sich zu behalten. Also kam ich in der Hoffnung hierher, dich auf unsere Seite zu ziehen. Zuerst solltest du mit mir Freundschaft schließen und danach vielleicht mit mir nach Zone E gehen, um dort mit den anderen zu reden, ihnen Antworten auf ihre Fragen zu geben und ihnen alles zu erzählen, was du über das Labyrinth weißt …“
„Es soll unfair sein, sein Wissen für sich zu behalten?“
„Auf jeden Fall. Es ist eine Sünde, mit dem Wissen hinter dem Berge zu halten.“
„Ist es denn fair von den Menschen, mich ekelerregend zu nennen und vor mir die Flucht zu ergreifen?“
„Das ist doch ein ganz anderes Problem“, sagte Rawlins. „Eins, das jenseits aller Fairneß liegt. Es handelt sich dabei um den Zustand, in dem du dich befindest. Ein bedauerlicher Zustand, zugegeben, den du nicht verdient hast. Jedermann bedauert es natürlich, daß dir so etwas zugestoßen ist. Aber auf der anderen Seite mußt du dir auch einmal klarmachen, daß es vom Standpunkt anderer Personen nicht eben leicht ist, unvoreingenommen deinem … deinem …“
„Seelischen Gestank gegenüberzutreten“, führte Muller den Satz zu Ende. „Richtig. Es ist nicht leicht, meine Gegenwart zu ertragen. Daher bin ich gewillt, deine Freunde nicht diesem Übel auszusetzen. Schlag dir das aus dem Kopf: Ich werde weder mit ihnen reden noch nett bei einer Tasse Tee mit ihnen plaudern. Ich will einfach nichts mit ihnen zu tun haben. Ich habe mich von der menschlichen Rasse abgenabelt und will es dabei auch belassen. Und dabei ist es ganz irrelevant, ob ich dir das Privileg gewähre, mich zu belästigen oder nicht. Wo wir gerade schon dabei sind, möchte ich dir ins Gedächtnis zurückrufen, daß dieser unglückliche Zustand mich nicht unverdient getroffen hat. Er kam zu Recht über mich, als ich meine Nase in Dinge gesteckt habe, die mich nichts angingen. Indem ich mich für einen Übermenschen hielt, dem so etwas doch gestattet sei. Hybris eben, aber das sagte ich ja schon.“
Boardman hatte Ned die ganze Zeit über weiter instruiert. Rawlins, dem die Lügen einen ekligen Geschmack auf der Zunge bereiteten, antwortete: „Ich kann dir keinen Vorwurf daraus machen, wenn du so verbittert bist, Dick. Aber ich halte es immer noch für falsch, wenn du uns dein Wissen vorenthältst. Denk doch einfach an die Tage zurück, als du selbst von Welt zu Welt geeilt bist. Wenn du damals auf einem Planeten gelandet wärst und jemand hätte über lebenswichtige Informationen verfügt, deretwillen du diese Welt überhaupt erst angeflogen hättest, würdest du da nicht auch jede Anstrengung in Kauf genommen haben, sie von ihm zu bekommen? Selbst wenn dieser Jemand mit bestimmten persönlichen Problemen zu kämpfen gehabt hätte?“
„Tut mir leid“, sagte Muller frostig. „Aber das ist mir vollkommen egal.“ Er lief davon und ließ Rawlins allein mit zwei
Weitere Kostenlose Bücher