Der Mann im Labyrinth
…“
„Das bezweifle ich. Sieh dir das an!“
„Warum, meinst du, werden sie gerade jetzt zurückgezogen?“
„Feinde sind in der Nähe“, sagte Muller. „Die Stadt hat mich mittlerweile als Bewohner anerkannt. Ich wohne auch schon lange genug hier. Sie versucht sicher, dich in den Käfig zu bekommen. Dich, den Feind, den Menschen.“
Inzwischen waren die Streben völlig in der Erde versunken. Nichts wies mehr auf ihre Existenz hin, bis auf eine Reihe von kleinen Öffnungen im Straßenbelag.
„Hast du jemals versucht, etwas in den Käfig zu legen?“ fragte Ned. „Tiere zum Beispiel?“
„Ja, ich habe einmal ein besonders großes Raubtier hineinbefördert. Aber es geschah überhaupt nichts. Dann habe ich einige kleinere Tiere lebend hineingesetzt. Wieder nichts.“ Er runzelte die Stirn. „Ich habe sogar einmal daran gedacht, selbst in den Käfig zu gehen, um festzustellen, ob er sich etwa automatisch schließt, wenn ein lebendiger Mensch sich in ihm befindet. Aber ich habe es doch nicht getan. Wenn man ganz allein auf sich gestellt ist, hütet man sich vor solchen Experimenten.“ Er hielt einen kurzen Augenblick inne. „Was würdest du davon halten, mir jetzt gleich bei einem kleinen Test auszuhelfen, was, Ned?“
Rawlins hielt den Atem an. Die dünne Luft schien plötzlich wie Feuer in seinen Lungen zu brennen.
Ruhig sagte Muller: „Tritt einfach hinein und warte so ungefähr eine Minute. Dann werden wir sehen, ob der Käfig sich bei dir schließt. Das wäre doch wichtig zu wissen.“
„Und wenn er es tut“, bemerkte Rawlins, der Mullers Worte nicht allzu ernst nahm, „hast du dann einen Schlüssel, um mich wieder herauszulassen?“
„Ich besitze einige Waffen. Ich kann dich immer herausholen, selbst wenn ich dabei die Streben zerstrahlen muß.“
„Das wäre destruktiv. Du hast mich doch davor gewarnt, hier irgend etwas zu zerstören.“
„Manchmal muß man etwas zerstören, um was daraus zu lernen. Laß dich nicht aufhalten, Ned. Tritt in den Käfig.“
Mullers Stimme klang hart und merkwürdig. Halb gebückt stand er in einer merkwürdigen Erwartungshaltung da: die Arme leicht gebeugt an die Hüften gestemmt, die Finger nach innen an die Oberschenkel gepreßt. Er sieht aus, als wollte er mich gleich höchstpersönlich in den Käfig werfen, dachte Rawlins.
Leise ertönte Boardmans Stimme in Neds Ohr: „Tun Sie, was er sagt, Ned. Gehen Sie in den Käfig und beweisen ihm damit, daß Sie ihm vertrauen.“
Ihm vertraue ich ja, sagte sich Rawlins, nur bei dem Käfig habe ich so meine Bedenken.
Beängstigende Bilder drängten sich in sein Bewußtsein: wie der Boden des Gefängnisses sich öffnete, sobald die Streben hochgeschwebt waren; wie er in einen unterirdischen Säurebottich oder Feuersee stürzte. Die Hinrichtungsgrube für gefangene Feinde. Welche Sicherheit besitze ich eigentlich, daß es nicht so ablaufen wird?
„Tun Sie’s, Ned“, flüsterte Boardman.
Es war eine einmalige, verrückte Angelegenheit. Rawlins überquerte die Reihe der kleinen Öffnungen im Straßenbelag und stellte sich dann mit dem Rücken an die Wand. Unverzüglich stiegen die Streben aus dem Boden, bis sie nahtlos oben über seinem Kopf anschlossen. Der Boden schien fest zu sein. Keine Todesstrahlen Schossen auf ihn zu. Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Aber er war jetzt gefangen.
„Faszinierend“, entfuhr es Muller. „Es muß auf Intelligenz abgestimmt sein. Als ich es mit Tieren versuchte, ist nichts geschehen, egal ob sie tot waren oder noch lebten. Was hältst du denn davon, Ned?“
„Ich bin glücklich darüber, daß ich dir bei deinen Forschungen so behilflich sein konnte. Aber ich wäre noch glücklicher, wenn du mich nun wieder hinauslassen würdest.“
„Ich kann den Mechanismus der Streben nicht kontrollieren.“
„Aber du hast doch gesagt, du wolltest sie zerstrahlen.“
„Warum denn gleich mit dem Schlimmsten beginnen? Laß uns lieber noch etwas abwarten, ja? Vielleicht öffnen sich die Streben wieder von ganz allein. Da drinnen bist du doch wirklich sicher. Wenn du Hunger hast, bringe ich dir etwas zu essen. Werden deine Leute dich vermissen, wenn du bei Einbruch der Dunkelheit nicht wieder zurück bist?“
„Ich sende ihnen eine Nachricht“, sagte Ned mißmutig. „Obwohl ich hoffe, bis dahin wieder frei zu sein.“
„Bleib ruhig, mein Junge“, riet ihm Boardman. „Wenn es sich als notwendig erweisen sollte, können auch wir Sie dort
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