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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mich ein Nichts. Nein, weniger als Nichts, du bist nicht mehr als ein Schmutzfleck. So, jetzt weißt du über mich Bescheid und ich über dich.“
    „Du sprichst, als gehörtest du einer fremden Rasse an“, meinte Rawlins erstaunt.
    „Nein, ich gehöre ganz sicher zur menschlichen Rasse. Ich bin sogar von allen das menschlichste Wesen, weil ich als einziger meine Menschlichkeit nicht verbergen kann. Du spürst sie doch, nicht wahr? Du kannst der Häßlichkeit nicht entgehen, was? Was aus mir strömt, befindet sich auch in dir. Flieg zu den Hydriern, und sie helfen dir, ebenso menschlich zu werden. Dann laufen die Leute auch dir davon, wie sie das bei mir tun. Ich spreche für die Menschheit. Ich spreche die Wahrheit. Ich bin der wahre Mensch hinter der Maske des Gesichts, mein Junge. Ich bin die verborgenen Eingeweide der Seele. Ich bin all das Kranke und Widerwärtige, von dem wir uns immer vorlügen, es sei nicht da. Ich bin die Perversitäten, die schrecklichen Lüste, all die kleinen Bosheiten, die abartigen Geschmacklosigkeiten, der Neid. Und ich bin auch der, der einst gottgleich sein wollte. Hybris. Ich wurde in aller Deutlichkeit daran erinnert, wer ich wirklich bin.“
    Ruhig fragte Rawlins: „Warum entschiedst du dich für Lemnos?“
    „Ein Mann namens Charles Boardman hat mir diese Idee gegeben.“
    Ned fuhr bei der Erwähnung dieses Namens überrascht zusammen.
    „Kennst du ihn?“ fragte Muller.
    „Aber natürlich. Er … er ist einer der bedeutendsten Männer in der Regierung.“
    „Ha, das kann man wohl sagen. Weißt du, daß es Boardman war, der mich nach Beta Hydri IV geschickt hat? Oh, er brauchte mir nichts vorzumachen, mußte keine Tricks einsetzen, hatte es nicht nötig, mich in seiner aalglatten Art zu übertölpeln. Er kannte mich viel zu gut. Er hat mich einfach an meinen Ambitionen gepackt. Er sagte, da gäbe es eine Welt voller Aliens, und die Erde wolle einen Menschen zur Kontaktaufnahme hinschicken. Wahrscheinlich ein Himmelfahrtskommando, aber gleichzeitig der erste Kontakt der Menschheit mit einer anderen intelligenten Spezies. Ob ich nicht interessiert sei? Natürlich war ich das. Er wußte genau, ich konnte einer solchen Chance nicht widerstehen. Und danach, als ich in diesem Zustand zurückkehrte, ließ er sich eine Zeitlang nicht blicken. Vielleicht konnte er es nicht ertragen, in meiner Nähe zu sein, vielleicht waren seine Schuldgefühle zu groß. Schließlich habe ich ihn abgefangen und gesagt: Sieh mich an, Charles, das ist aus mir geworden. Wo kann ich hingehen? Was soll ich tun? Ich bin ganz an ihn herangetreten. So nah, wie wir uns jetzt sind. Er lief grün an. Mußte Pillen einnehmen. Ich konnte das Übelkeitsgefühl in seinen Augen erkennen. Und da hat er mir das Labyrinth auf Lemnos nahegelegt.“
    „Wieso?“
    „Er meinte, es sei das beste Versteck. Ich weiß nicht, ob er wirklich Mitleid hatte oder nur grausam war. Er dachte wohl, ich würde auf meinem Weg durch den Irrgarten den Tod finden … ein würdiges Ende für jemanden von meiner Sorte. Immer noch besser, als an Drogen zu krepieren oder irgendwo in der Gosse zu enden. Natürlich erklärte ich Boardman, daß ich nicht im Traum daran dächte. Ich wollte meine Spur verwischen. Ich wurde sehr ärgerlich und beharrte darauf, daß eine Flucht nach Lemnos für mich nicht in Frage käme. Danach bin ich einen Monat in der Halbwelt Under New Orleans’ untergetaucht. Als ich mich wieder nach draußen wagte, habe ich mir ein Schiff gemietet und bin hierher gekommen. Ich habe jeden Trick angewandt, um meine Spur zu verwischen. Boardman hat recht gehabt. Lemnos ist der richtige Ort für mich.“
    „Wie bist du denn überhaupt durch das Labyrinth gekommen?“ fragte Rawlins.
    „Durch blankes Pech.“
    „Pech?“
    „Ich suchte einen glorreichen Untergang“, erklärte Muller. „Mir war es scheißegal, ob ich lebend durchs Labyrinth kam oder nicht. Ich bin einfach hineingegangen und auf das Zentrum zugelaufen.“
    „Das ist ja kaum zu glauben!“
    „Nun, genau so hat es sich aber zugetragen. Mein Unglück war, daß ich ein Mensch mit starkem Überlebensdrang bin, Ned. Diese Gabe ist mir angeboren, vielleicht ist es sogar mehr als eine Gabe, eine parasensorische Fähigkeit. Ich besitze ungewöhnliche Reflexe. Eine Art sechsten Sinn, wie man so sagt. Außerdem ist mein Drang zu überleben besonders stark entwickelt. Davon abgesehen führte ich Massedetektoren und andere nützliche Ausrüstung mit. So betrat ich

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