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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Stücken Fleisch und einem fast leeren Becher Wasser im Käfig zurück.
    Als Muller nicht mehr zu sehen war, meldete sich Boardman: „Das ist vielleicht eine Mimose, was? Doch ich habe von ihm auch nicht erwartet, daß er vor Freundlichkeit zerfließen würde. Aber Sie haben ihn schon ziemlich gut angepackt, Ned. Sie besitzen wirklich die ideale Mischung aus Verschlagenheit und Naivität.“
    „Und ich befinde mich in einem Käfig.“
    „Das stellt kein Problem dar. Wir können immer noch eine Drohne schicken, die Sie befreit, falls der Käfig sich in der nächsten Zeit nicht öffnet.“
    „Es klappt nicht mit Muller“, murmelte Rawlins. „Er steckt voller Haß. Der sickert ihm aus jeder Pore. Wir schaffen es nie, ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen. Ich habe noch nie einen solchen Haß bei einem Menschen erlebt.“
    „Sie haben ja auch noch nicht viel von der Welt gesehen“, sagte Boardman. „Und weder Sie noch er wissen, was wirklicher Haß ist. Ich versichere Ihnen, alles läuft bestens. Wir haben von vornherein einige Rückschläge einkalkuliert. Doch allein schon der Umstand, daß er überhaupt mit Ihnen redet, wiegt im Moment alles andere auf. Er will doch gar nicht so voller Haß sein. Geben Sie ihm einfach die Chance, seine Verbitterung abzulegen, und schon wird er es tun.“
    „Wann schicken Sie die Drohne, um mich hier herauszuholen?“
    „Später“, sagte Boardman. „Falls es sich überhaupt als notwendig erweisen sollte.“
    Muller kehrte nicht zurück. Der Nachmittag ging langsam in den Abend über. Ein kühler Wind kam auf. Rawlins kauerte sich in eine Ecke, aber gemütlicher wurde es dadurch nicht. Er versuchte, sich die Stadt vorzustellen, als sie noch von Leben erfüllt gewesen war. Als dieser Käfig dazu gedient hatte, Wesen festzuhalten, die man im Labyrinth gefangengenommen hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er den Strom der Stadterbauer: kurzgewachsen und stämmig, mit dichtem, kupferfarbenem Fell und einer grünlichen Haut. Sie schwangen ihre langen Arme und zeigten damit auf den Käfig. Dort drin befand sich ein Wesen, das wie ein Riesenskorpion aussah. Mit Klauen, die wie Wachs glänzten und über die Steinplatten auf dem Boden kratzten. Mit wilden Augen und einem wütend peitschenden Schwanz, der jedem gefährlich wurde, der dem Käfig zu nahe kam. Eine eigenartige, grelle Musik tönte durch die Stadt. Fremdes Gelächter von fremden Wesen. Der warme, moschusartige Geruch der Stadterbauer. Kinder, die das Ding im Käfig anspuckten. Speichel wie Feuer. Helles Mondlicht, tanzende Schatten. Ein gefangenes Wesen, furchtbar anzusehen und bösartig. Es war allein, das einzige seiner Art auf dieser Welt. Sein heimatlicher Stock stand auf einem Planeten des Sterns Alphecca oder Markab, wo weitere Wesen mit Schwanz und wachsartig glänzenden Klauen durch glitzernde Tunnel krabbelten. Tagelang kamen die Stadterbauer vor dem Käfig zusammen, verhöhnten das Wesen und schmähten es. Ihre plumpen Körper, ihre ineinander verschlungenen, spinnenartigen Finger, ihre flachen Gesichter und ihre häßlichen Hauer widerten die Kreatur im Käfig an. Und dann kam der Tag, an dem sich der Boden des Käfigs öffnete, denn die Stadterbauer langweilte ihr Gefangener von einer anderen Welt. Und das Wesen stürzte hinab. Während es noch wütend mit dem Schwanz um sich schlug, landete es in einer Messergrube.
    Die Nacht war hereingebrochen. Rawlins hatte lange nichts mehr von Boardman gehört. Muller hatte er seit dem Nachmittag nicht mehr gesehen. Tiere schlichen über den Platz: vornehmlich kleine, die hauptsächlich aus Klauen und Zähnen bestanden. Rawlins hatte unbewaffnet das Camp verlassen. Er bereitete sich darauf vor, jedes Tier zu Tode zu treten, das durch das Gitter in sein Gefängnis schlüpfte.
    Hunger und Kälte bedrängten ihn. Er suchte die Dunkelheit nach Muller ab. Mittlerweile fand er diesen Scherz nicht mehr lustig.
    „Können Sie mich hören?“ fragte er bei Boardman an.
    „Wir holen Sie bald heraus.“
    „Ja, aber wann!“
    „Wir haben eine Drohne losgeschickt, Ned.“
    „Eine Drohne dürfte kaum mehr als eine Viertelstunde benötigen, um zu mir vorzustoßen. In diesen Zonen gibt es kaum Fallen.“
    Boardman hielt einen Moment inne. „Muller hat die Drohne abgefangen und zerstört. Das war vor einer Stunde.“
    „Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?“
    „Wir schicken jetzt mehrere Drohnen gleichzeitig los“, erklärte ihm Boardman. „Muller kann nicht alle im Auge

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