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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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befreien. Es ist sehr wichtig, Muller bei Laune zu halten und auf ihn einzugehen, bis Sie ein echtes Vertrauensverhältnis zu ihm haben. Wenn Sie mich verstehen können, dann streichen Sie sich mit der rechten Hand über das Kinn.“
    Rawlins strich sich mit der Rechten über das Kinn.
    „Das war sehr mutig von dir, Ned“, sagte Muller. „Oder aber sehr dumm. Ich weiß manchmal nicht, ob es dazwischen überhaupt einen Unterschied gibt. Aber ich bin dir auf jeden Fall dankbar. Ich mußte einfach über diese Käfige Bescheid wissen.“
    „Freut mich, daß ich von Nutzen sein konnte. Du siehst also, nicht alle Menschen sind Monster.“
    „Sicher, nicht bewußte Monster. Es ist nur die Seelenpest in ihrem Innern, die sie so häßlich macht. Hier, damit du dich erinnerst.“ Muller trat an den Käfig und legte die Hände an die glatten Streben, die so weiß wie Knochen waren. Rawlins spürte, wie die Intensität der Ausstrahlung anstieg. „Das ist es, was die Menschen unter ihrer Schädeldecke haben. Ich persönlich bemerke davon gar nichts. Ich schließe nur vom Verhalten der anderen darauf. Es muß sehr übel sein.“
    „Ich könnte mich daran gewöhnen“, sagte Rawlins. Er ließ sich im Lotussitz auf den Boden nieder. „Hast du denn nie Anstrengungen unternommen, dich davon befreien zu lassen, nachdem du von Beta Hydri IV zur Erde zurückgekehrt bist?“
    „Ich habe mit den Knochenflickern gesprochen. Aber sie konnten noch nicht einmal feststellen, welche Veränderungen in meinen Gehirnströmen eingetreten waren. Daher wußten sie natürlich auch keinen Weg, wie das wieder behoben werden sollte. Hübsch, nicht wahr?“
    „Wie lange bist du auf der Erde geblieben?“
    „Nur ein paar Monate. Lange genug jedenfalls, um festzustellen, daß es in meinem Bekanntenkreis nicht einen Menschen gab, der nicht schon nach wenigen Minuten, die er meiner Anwesenheit ausgesetzt war, grün angelaufen wäre. Ich begann, mich in Selbstmitleid zu ergehen … und in Ekel vor mir selbst, was so ungefähr dasselbe ist. Ich habe sogar an Selbstmord gedacht, um die Welt von diesem Stein des Anstoßes zu befreien.“
    „Das glaube ich nicht“, sagte Rawlins. „Manche Menschen sind einfach nicht zum Selbstmord fähig. Und du gehörst zu denen.“
    „Vielen Dank, aber das habe ich selbst auch herausgefunden. Ich habe mich nicht umgebracht, wie du sicher bemerkt hast. Ich habe es mit allerlei Modedrogen probiert, dann habe ich zu trinken angefangen und schließlich so gefährlich wie möglich gelebt. In einem einzigen Monat habe ich es mit vier verschiedenen Psychiatern versucht und wieder aufgegeben. Dann habe ich mir einen bleiverstärkten Lederhelm aufgesetzt, um die Ausstrahlung abzuhalten. Aber das war so, als wollte man mit einem Eimer Neutrinos einfangen. In einem Bordell auf der Venus löste ich eine Panik aus: Nachdem die ersten hysterisch geworden waren, rannten alle Mädchen splitternackt auf die Straße hinaus.“ Muller spuckte aus. „Nun, ich war immer gern in Gesellschaft, konnte aber genausogut auf sie verzichten. Wenn ich unter Leuten war, war ich glücklich und überall gern gesehen. Ich war allerdings nicht so ein geschniegelter Sonnenschein wie du, aus dem sich permanent Freundlichkeit und Charakter ergießen, sondern bin auf die Leute und ihre Eigenarten eingegangen. Ich nahm mal hier und mal dort eine Beziehung auf und kam ganz gut damit zurecht. Dann wieder konnte ich anderthalb Jahre lang wegfahren, ohne dabei einen Menschen zu sehen oder mit ihm zu sprechen. Und auch das ist mir nicht schlecht bekommen. Aber als ich unwiderruflich von der Gesellschaft ausgeschlossen war, entdeckte ich, daß ich nur schlecht ohne Menschen auskommen konnte. Doch das ist nun vorbei. Ich bin diesem Bedürfnis entwachsen, mein Junge. Ich kann hundert Jahre in völliger Einsamkeit verbringen und werde doch niemanden vermissen. Ich habe mich dazu gebracht, die Menschheit so zu sehen, wie sie mich sieht: als etwas Krankmachendes, als einen elenden, verkrüppelten Klotz, dem man am besten aus dem Weg geht. Zur Hölle mit euch allen. Ich schulde niemandem etwas, nicht einmal Liebe. Ich habe keine Verpflichtungen mehr. Ich könnte dich hier im Käfig verfaulen lassen, Ned, und mir in keiner Sekunde Sorgen darüber machen. Ich könnte zweimal täglich an dem Käfig vorbeikommen und dein Skelett anlächeln. Ich hasse dich nicht, Ned, weder dich noch die Galaxis, die voll ist von Wesen wie dir. Ich verachte dich vielmehr. Du bist für

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